Ich bin Zlatan Ibrahimović
Briefträger-Fahrrad. Ich fuhr mit den Briefen des Viertels durch die Gegend. Da sprang ich ab und stellte das Fahrrad ein Stück weiter wieder hin. Ich wollte ja den Leuten nicht auch noch ihre Post klauen.
Ein andermal wurde das Rad geklaut, das ich zuletzt gestohlen hatte, und ich stand da vorm Stadion, und es war weit nach Hause, und ich war hungrig und ungeduldig, und deshalb riss ich mir vor dem Umkleideraum ein anderes unter den Nagel. Ich schlug das Schloss auf wie üblich, und ich weiß noch, dass das Rad mir gefiel. Es war ein prima Gerät, und ich parkte es vorsichtshalber ein bisschen weiter weg, damit der alte Besitzer nicht darüber stolperte. Aber drei Tage später wurde ein Mannschaftstreffen einberufen. Ich hatte damals schon kein gutes Gefühl bei so was. Sitzungen bedeuten in der Regel Ärger und Zurechtweisungen, und ich fing sofort an, mir clevere Ausreden auszudenken: Also, Typ, ich war es nicht, es war mein Bruder, und sehr richtig, das Treffen drehte sich um das Fahrrad des zweiten Trainers.
»Hat jemand es gesehen?«
Keiner hatte es gesehen. Ich auch nicht! Ich meine, in so einer Situation sagst du nichts. So funktioniert es. Du spielst den Dummen: Mensch, so was Ärgerliches, du armes Schwein, mir ist auch schon mal ein Rad geklaut worden.
Aber trotzdem, ich bekam Angst. Was hatte ich getan? Und so ein verfluchtes Pech! Das Fahrrad des zweiten Trainers! Die Trainer soll man doch respektieren. Der Meinung war ich. Oder richtiger gesagt, ich meinte, man sollte auf sie hören und ihre Sachen lernen, Raumaufteilung, Taktik und all das. Aber gleichzeitig nicht zuhören. Also gleichsam weitermachen mit den Dribblings und Tricks. Zuhören, nicht zuhören! Das war meine Philosophie. Aber ihre Räder klauen? Ich fand nicht, dass das zum Konzept passte. Ich wurde unruhig und ging zum zweiten Trainer.
»Also, es ist so«, sagte ich. »Ich habe dein Fahrrad ein bisschen ausgeliehen. Es war sozusagen eine Krisensituation. Eine einmalige Sache. Du kriegst es morgen zurück.«
Ich setzte mein bewährtes bedauerndes Lächeln auf, und ich glaube, das hat irgendwie gewirkt. Mein Lächeln hat mir viel geholfen in jenen Jahren, und ich konnte einen Scherz machen, wann immer es dringend nötig war. Aber es war nicht leicht. Ich war nicht nur das schwarze Schaf. Wenn Trainingsanzüge verschwanden, wurde ich beschuldigt. An und für sich völlig korrekt. Ich war auch der arme Teufel. Während die anderen schon von Anfang an die neuesten Fußballstiefel von Adidas und Puma aus Känguruleder trugen, hatte ich meine Schuhe beim Discounter für 59,90 gekauft, wo sie direkt neben den Tomaten und dem Gemüse gelegen hatten. Ich hatte in der Hinsicht nie etwas, womit ich Eindruck machen konnte.
Wenn die Mannschaft auf eine Auslandsreise ging, hatten viele andere zweitausend Kronen Taschengeld mit. Ich hatte zwanzig Kronen oder so, und das, obwohl Vater manchmal einen Monat die Miete nicht bezahlte, damit ich mitfahren konnte. Er wäre lieber aus der Wohnung geflogen, als mich zu Hause bleiben zu lassen. Das war schön von ihm, aber ich konnte mit den Kumpeln dennoch nicht mithalten.
»Komm mit, Zlatan, wir gehen ’ne Pizza essen, einen Hamburger, wir kaufen dies und das!«
»Nee, später. Ich hab keinen Hunger! Ich häng ein bisschen ab.«
Ich versuchte, mich herauszuwinden und trotzdem cool zu sein. Es gelang mir nicht besonders gut. Es war kein Riesending, aber es war etwas Neues, und ich erlebte eine Periode der Unsicherheit. Ich wollte nicht sein wie die anderen. Na ja, vielleicht ein wenig. Ich wollte ihre Sachen lernen, wie Etikette und dergleichen. Aber meistens machte ich mein eigenes Ding; das war meine Waffe, kann man sagen. Ich sah die Jungs aus ähnlichen Vororten wie meinem, die versuchten, auf Oberklasse zu machen. Es ging immer schief, sosehr sie sich auch anstrengten, und ich dachte, ich mach das Gegenteil, ich zieh mein eigenes Ding desto eiserner durch. Statt zu sagen: »Ich hab nur zwanzig Kronen«, sagte ich: »Ich hab nichts, nicht eine Öre.« Das war cooler. Verrückter. Ich war der harte Typ aus Rosengård. Ich war anders. Das wurde meine Identität, und ich fühlte mich immer besser dabei, und es ließ mich völlig kalt, dass ich keine Ahnung von den Idolen der schwedischen Jungs hatte.
Manchmal waren wir Balljungen bei den Spielen der ersten Liga, und einmal spielte Malmö FF gegen IFK Göteborg, also ein richtiges Topmatch, und meine Mannschaftskameraden waren völlig aus dem
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