Ich bin Zlatan Ibrahimović
auf der Bank gesessen hatte, kam er in die Kabine und nannte uns alle miese Fotzen. Er rastete total aus und wählte nicht gerade die vornehmsten Ausdrücke, und ich antwortete ihm, wenn hier einer eine Fotze wäre, dann er, und da nahm er eine Schere, die da auf einer Bank lag, und warf damit nach mir, wahnsinnig wie er war. Die Schere zischte an meinem Kopf vorbei, direkt in die Bretterwand, und hinterließ einen Riss im Holz, und natürlich stand ich auf und knallte ihm eine. Aber zehn Minuten später gingen wir Arm in Arm hinaus, und sehr viel später erfuhr ich, dass unser Teammanager diese Schere als Erinnerung aufgehoben hat, sozusagen als Beweisstück für die Kinder: Diese Schere hätte Zlatan beinah ins Gesicht gekriegt.
Wie auch immer, mit Mido ging es ein wenig auf und ab, und jetzt hatte er sich also wieder unmöglich gemacht. Koeman hatte ihm eine Strafe aufgebrummt und ihn kaltgestellt, und dann war da noch ein anderer Typ. Er hieß Rafael van der Vaart, ein Holländer, ein ziemlich arroganter Typ wie viele von den weißen Jungs in der Mannschaft, auch wenn er nicht gerade der Oberklasse entstammte. Er war in einem Wohnwagen aufgewachsen und hatte ein Zigeunerleben geführt, wie er sagte, und er hatte auf der Straße Fußball gespielt, mit Bierflaschen als Torpfosten, und das hätte seine Technik verfeinert, meinte er. Er war schon mit zehn Jahren für die Jugendakademie von Ajax rekrutiert worden und hatte hart trainiert und war wirklich gut geworden. Nur ein Jahr zuvor war er zum europäischen Talent des Jahres oder so etwas gewählt worden. Aber er versuchte, ein ganz Harter zu sein, und wollte führen und gesehen werden, und schon von Anfang an bestand eine Konkurrenz zwischen uns.
Jetzt war er jedoch am Knie verletzt, und da er und Mido ausfielen, sollte ich zu Hause gegen Lyon in der Startelf stehen. Es war mein Debüt in der Champions League – ich hatte vorher nur in der Qualifikation gespielt –, und es war natürlich krass. Die Champions League war ein alter Traum von mir, und das Stadion stand unter Hochdruck. Ich hatte eine Menge Kumpel herüberkommen lassen und ihnen Eintrittskarten für die Längsseite ganz unten am Tor besorgt, und ich erinnere mich, dass ich früh einen Ball von Jari Litmanen, dem Finnen, bekam. Ich mochte ihn.
Litmanen hatte bei Barcelona und Liverpool gespielt und war gerade zu uns gekommen, und er hatte sogleich einen belebenden Effekt auf mich gehabt. Viele der Jungs bei Ajax spielten hauptsächlich für sich selbst. Sie wollten nichts lieber, als an einen größeren Klub verkauft werden, und oft konnte man das Gefühl haben, dass wir mehr gegeneinander spielten als gegen die anderen Mannschaften. Aber Litmanen war wirklich ein Mannschaftsspieler. Er stand für das wahre Spiel, dachte ich, und als ich jetzt den Ball von ihm bekam, ging ich steil die Seitenlinie entlang und hatte zwei Verteidiger gegen mich, einen genau vor mir und einen zweiten rechts davon. Ich war schon oft in ähnlichen Situationen gewesen und hatte sie vor und zurück analysiert.
Es war ein bisschen die gleiche Situation wie gegen Henchoz in dem Liverpool-Spiel, nur jetzt waren es zwei Gegner, und ich machte ein Dribbling nach links, einen Zweifüßer, und die Verteidiger gingen auf mich, und es sah aus wie eine Sackgasse, doch da ahnte ich eine Lücke zwischen ihnen, einen schmalen Korridor, und bevor ich auch nur daran denken konnte, war ich durch und kam vors Tor und sah noch eine Lücke und schoss, es war ein flacher Schuss, der den Pfosten traf und von da ins Tor prallte. Ich drehte fast durch vor Freude.
Es war nicht nur ein Tor, es war auch schön, und ich raste wie ein Idiot zu meinen Kumpeln an der Längsseite und jubelte mit ihnen, und hinter mir kam die ganze Mannschaft, völlig außer sich, und nur kurz darauf erzielte ich noch ein Tor. Es war eigentlich unfassbar. Ich schoss zwei Tore in meinem ersten Spiel in der Champions League, und es wurde darüber gemunkelt, dass der AS Rom hinter mir her wäre, und von Tottenham war auch die Rede.
Ich war in Gang gekommen, und wenn es im Fußball läuft, gibt es normalerweise kein Problem auf der Welt. Aber privat lief es immer noch nicht rund. Ich hatte mich noch nicht an das Leben dort unten gewöhnt. Ich befand mich in einer Art Vakuum. Ich war viel zu oft zu Hause und machte Dummheiten, und dann hielt ich Kontakt mit Helena, hauptsächlich per SMS , ohne richtig zu wissen, was wir da eigentlich machten. War es nur ein albernes
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