Ich bin Zlatan Ibrahimović
Damals kam es mir selbstverständlich vor, aber später habe ich viel darüber nachgedacht, wer Familie ist und wer nicht. Doch das war später.
Damals war ich ganz auf den Fußball fokussiert. Oft ist die Ligameisterschaft schon früh im Frühjahr entschieden. Eine Mannschaft ist davongezogen. Aber in diesem Jahr war die Meisterschaft bis zum Ende umkämpft. Wir und Mailand hatten beide siebzig Punkte, und natürlich waren die Zeitungen voll davon. Am 8. Mai sollten wir in San Siro aufeinandertreffen. Es fühlte sich an wie ein reines Meisterschaftsendspiel, und die meisten glaubten an Mailand. Nicht nur, weil es für Mailand ein Heimspiel war. Das erste Spiel der Saison gegen uns im Stadio delle Alpi war 0:0 ausgegangen. Aber Mailand hatte dominiert, und viele betrachteten Mailand damals als die beste Mannschaft Europas, obwohl wir stark aufgestellt waren, und es erstaunte eigentlich niemanden, dass Mailand in diesem Frühjahr das Finale der Champions League erreichte. Wir hätten keine guten Karten, hieß es, und die Aussichten wurden nicht gerade besser nach unserem Spiel gegen Inter.
Es war am 20. April, nur einige Tage nach meinem Hattrick gegen Lecce, gewesen, und ich wurde überall gefeiert, und Mino hatte mich gewarnt, dass ich von Inter hart bewacht werden würde. Ich war der Star. Inter musste versuchen, mich zu blockieren oder mich psychisch fertigzumachen.
»Wenn du überleben willst, musst du zweifach dagegenhalten, sonst hast du keine Chance«, sagte Mino, und ich antwortete wie immer:
»Kein Problem. Wenn es hart auf hart geht, werde ich richtig heiß.«
Aber natürlich war ich nervös. Zwischen Inter und Juventus besteht seit Langem ein Hassverhältnis, und in diesem Jahr hatte Inter eine ziemlich brutale Abwehr. Unter anderem spielte Marco Materazzi bei ihnen. Keiner hat in der Serie A bis heute mehr rote Karten gesehen als er. Er ist bekannt für sein aggressives Spiel und seine vielen Fouls. Ein Jahr später, im Sommer2006 , erlangte er Weltberühmtheit, als er im WM -Finale Zidane ein paar richtig grobe Sachen sagte und einen Kopfstoß gegen die Brust erhielt. Materazzi arbeitet mit Provokationen und Härte. Er wird zuweilen der Schlächter genannt.
Inter hatte auch Iván Córdoba, einen kleinen, aber athletischen Kolumbianer, und dann Siniša Mihajlovi ć . Mihajlovi ć war Serbe, und natürlich wurde darüber viel geschrieben; dass das Spiel ein Balkankrieg in Miniatur werden würde. Das war Unsinn. Was auf dem Platz geschah, hatte nichts mit dem Krieg zu tun. Ich und Mihajlovi ć wurden später bei Inter Freunde, und ich habe nie einen Deut darum gegeben, woher die Leute kommen. Ich scheiße auf solchen ethnischen Quatsch, und ehrlich gesagt, wie sollte ich anders können? In unserer Familie sind wir alles durcheinander. Vater ist Bosnier, Mutter ist Kroatin, und mein kleiner Bruder hat einen serbischen Vater. Nein, nein, um so etwas ging es überhaupt nicht.
Aber Mihajlovi ć war wirklich ein harter Kerl. Er war einer der besten Freistoßschützen der Welt, und er provozierte gern. Er hatte Patrick Vieira in einem Champions-League-Match nero de merda , Scheißschwarzer, genannt, und das hatte ein polizeiliches Nachspiel wegen des Verdachts auf rassistische Hetze nach sich gezogen. Ein andermal hatte er Adrian Mutu, der gerade bei uns zu spielen angefangen hatte, getreten und bespuckt und war für acht Spiele gesperrt worden. Er hatte ein hitziges Temperament. Er ging hoch wie eine Bombe. Ich will keine große Sache daraus machen, ganz und gar nicht. Was auf dem Platz geschieht, bleibt auf dem Platz. Das ist meine Philosophie, und ehrlich gesagt, ihr würdet schockiert sein, wenn ihr wüsstet, was da draußen abgeht, es wird geschlagen und beschimpft, es ist ein ständiger Fight, aber für uns Spieler ist das Alltag, und ich erwähne dies von den Abwehrspielern bei Inter nur, damit man begreift, dass mit den Burschen nicht zu spaßen war. Sie konnten hart einsteigen und foulen, und ich spürte sofort, das hier ist kein normales Spiel. Das ist Hass, das sind Beleidigungen.
Es gab eine Menge Scheißgerede über meine Familie und meine Ehre, und ich antwortete darauf, indem ich hart zurückschlug. In so einer Lage gibt es nichts anderes. Weichst du zurück, wirst du fertiggemacht. Es gilt, deine Wut so zu kanalisieren, dass du auf dem Platz noch mehr geben kannst, und ich spielte extrem körperlich und hart. Es sollte nicht einfach sein, Zlatan zu begegnen, keine Sekunde, und zu dieser
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