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Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Titel: Ich bleib so scheiße, wie ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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16. Jahrhundert, dass Gottes Heiligkeit absolut sei und absolut bedeute, dass er nicht nur über die Gegenwart herrsche, sondern auch über die Vergangenheit und Zukunft. Gott muss also, das ist die Folge dieser theologischen Überlegung, schon im Vorhinein bestimmt haben, wer von uns gut ist und wer nicht. Tatsächlich ist es ein abwegiger Gedanke, Gott sei kurz nach der vollbrachten Schöpfung zum Zuschauer geworden und verfolge nun mit Erstaunen, wie seine Kreaturen sich verhalten. Genauso abwegig ist die Vorstellung, man könne Gott durch anbiederndes Verhalten günstig stimmen, sich das »In-den-Himmel-Kommen« verdienen, indem man alten Frauen die Einkaufstüten trägt und immer pünktlich zur Arbeit erscheint, auch wenn man Kopfschmerzen hat.
    Johannes Calvin war davon überzeugt, dass es gleichgültig ist, wie wir uns auf Erden verhalten, denn Gott hat noch vor unserer Geburt festgelegt, ob wir zu den Erlösten gehören oder nicht. Gott muss nicht von uns überzeugt und überredet werden, er ist auch kein Pfennigfuchser, der anhand eines Berechnungsschlüssels prüft, ob wir ober- oder unterhalb der Erlösungsberechtigungsgrenze liegen.
    Wunderbar, könnte man denken, dann kann ich tun und lassen, was ich will. Das können Sie – zumal Ihr Verhalten dann frei wäre von jeder Berechnung und Heuchelei. Nur: Wer allen Versuchungen nachgibt, nichts durchhält und nichts auslässt und deswegen ver- und entlassen wird, der beweist sich selbst und der Welt, dass er nicht zu den Auserwählten gehört. Will sich bei Ihnen kein irdischer Erfolg einstellen, dann ist alles klar: Sie sind verurteilt, verloren, verdammt! Bis in alle Ewigkeit. Eine grauenvolle Erkenntnis, die einem das kurze Leben auf Erden gründlich vermiesen würde.
    Und so entwickelte sich aus den Thesen Calvins eine zwanghafte Geschäftigkeit, eine abergläubische Raserei, welche nichts anderes zum Ziel hatte, als die drohende Verdammnis vor sich selbst zu widerlegen: Irdischer Erfolg war der Beweis, dass man zu den Auserwählten Gottes gehörte. Misserfolg, Trunk- oder Fresssucht, zerbrochene Ehen, langes Ausschlafen und depressive Verstimmungen waren unmissverständliche Zeichen dafür, dass man wohl Pech gehabt hatte.
    Das Gelingen der Geschäfte, die glückliche Ehe und die wohlgeratenen Kinder waren natürlich nicht auf die eigenen Anstrengungen zurückzuführen, sondern auf die Gnade Gottes. Genauso gut konnte ein Mensch nichts daran ändern, wenn Bett und Couch eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn ausübten und er insgesamt den Hang hatte, Anstrengungen zu vermeiden. Es war aussichtslos, sich gegen die Verdammnis Gottes aufzulehnen. Doch leider ließ es sich kaum genießen, den lieben langen Tag zu schlafen, zu fressen und zu saufen und durch die Gegend zu vögeln, wenn man wusste, was hinterher auf einen wartete: die ewige Hölle!
    Der gläubige Protestant bekämpfte seine abgrundtiefe Angst mit unermüdlicher Arbeit und höchst tugendhaftem Lebenswandel. Vergnügen und Muße waren für ihn tabu, denn wer wusste, ob nicht Laster und Chaos aus einem herausbrachen, sobald man sich gehen ließ. Dieses magische Verhalten hatte kein wirkliches Ziel. Längst ging es nicht mehr um Selbstverwirklichung, das heißt, das Entfalten der eigenen Talente um ihrer selbst willen. Dauerhafter Erfolg und höchste Sittsamkeit waren lediglich Beruhigungspillen, weil ein Hinweis darauf, dass man zu den Glücklichen gehörte, deren Seele zur Errettung vorgesehen war.
    Die bohrende Frage, ob man zu den Auserwählten gehört oder nicht, machte die Protestanten zu einsamen Kämpfern. Misstrauisch beäugten sie die Mitmenschen, die weniger ehrgeizig und diszipliniert waren. Insgeheim freuten sie sich an deren Erfolglosigkeit, dass es also den anderen und nicht sie selbst »erwischt« hatte. Auf keinen Fall kamen sie auf die Idee, sich mit den Verdammten zusammenzutun und sich gemeinsam gegen Gott und Kirche aufzulehnen.
    Nicht umsonst vermutete der deutsche Soziologe Max Weber, dass es der Calvinismus gewesen sei, welcher mit seiner strengen Arbeitsmoral in Deutschland, England, Holland und der Schweiz eine wesentliche Grundlage für die industrielle Revolution und den modernen Kapitalismus geschaffen habe.
Arbeit wurde der von Gott vorgeschriebene
Selbstzweck des Lebens.
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    Auf jeden Fall ist der Calvinismus die Ursache für die seltsame Unruhe, die viele von uns befällt, sobald wir aufhören, etwas Nützliches zu tun. Johannes Calvin ist schuld, dass wir

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