Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Fußballspielen und anschließend abends noch was trinken. Einmal wöchentlich schwimmt er in der angesagten Berliner Badeanstalt »Das Badeschiff«, wo er auch Simon kennenlernt, mit dem er eine Affäre beginnt. Kurz zuvor hatte er die Freundin von Simon kennengelernt, Hanna, und zwar bei einem Theaterbesuch. Außerdem singt er noch im Chor und geht regelmäßig zum Judo. Nebenbei fährt er Motorrad und segelt auf der Ostsee mit seinem eigenen Segelboot. Obendrein hat er Zeit für Freunde und zahlreiche Affären mit Männern und Frauen, u. a. mit Simon, Hanna und seinem gut aussehenden Assistenten. Und das, obwohl er sich ab und zu um Sohn und Exfreundin kümmert und durchaus auch mal Zeit allein in seiner hippen Hochhauswohnung in Berlin-Mitte verbringt. Trotz dieses doch ziemlich straffen Pensums entwickelt sich die Affäre mit Hanna zu einer intensiven Beziehung, und wir sehen ihn, wie er sich von ihr, der Kulturwissenschaftlerin und Moderatorin, an langen Abenden die wichtigsten Werke der Weltliteratur vorlesen lässt.
Wie hysterisch diese Figurenzeichnung ist, scheint fast niemandem aufgefallen zu sein, in den Filmkritiken kommt dieser Punkt jedenfalls nicht vor. Aber wie ist es möglich, dass das, was dem Publikum da vorgeführt wird, als ein typisches Berliner Leben akzeptiert wird: So stellen sich viele Menschen also die totale Selbstverwirklichung vor. Sie sollten mal versuchen, das nachzuleben, es ist nicht möglich.
Aber offensichtlich befinden sich die meisten Leute gegenüber den eigenen Ansprüchen dermaßen chronisch im Rückstand, dass sie gar nicht mehr abschätzen können, dass das, was da in ein Leben hineingepackt wird, nun wirklich jenseits des Machbaren liegt.
Selbstverwirklichung ist eben längst keine Möglichkeit mehr, sondern ein Muss.
Der Wettkampf um Arbeit, Freunde, Liebe, Sex und Aufmerksamkeit ist hart, und auf einmal gewonnenen Privilegien lässt es sich nicht ausruhen. Beziehungen zwischen mir und den anderen beruhen auf Freiwilligkeit. Das hat zur Konsequenz, dass ich anderen Menschen etwas bieten muss, wenn ich will, dass sie sich mit mir abgeben.
Um ein schöner, interessanter, origineller und erfolgreicher Mensch zu werden, reicht es natürlich nicht, wenn Sie dafür lediglich Ihre Fähigkeiten verbessern: Auch Ihre Persönlichkeit, Ihre Seele und Ihr Körper müssen optimiert werden. Am besten wäre es, Sie hätten mit Ihrer Selbstverbesserung schon gestern angefangen, denn es gibt viel zu tun!
Buchen Sie einen Kommunikationskurs, um Ihre Teamfähigkeit zu steigern und Ihre rhetorischen Fähigkeiten zu verbessern. Lernen Sie eine Fremdsprache und ein neues Computerprogramm, denn das erhöht Ihre Chancen im Beruf. Achten Sie dabei aber auf eine optimale Work-Life-Balance, die wichtigste Voraussetzung für Ausgeglichenheit und Zufriedenheit. Gehen Sie regelmäßig ins Fitnesscenter. Vernachlässigen Sie aber auch nicht Ihre sinnlichen Seiten: Werden Sie ein perfekter Liebhaber oder eine perfekte Liebhaberin, um auf dem Beziehungsmarkt zu bestehen. Fördern Sie Ihre kreativen Seiten; malen, tanzen, schreiben Sie, denn nur ein Mensch mit vielen Interessen ist für andere attraktiv.
Suchen Sie die Gesellschaft, aber reservieren Sie auch Zeit für sich allein, in der Sie sich etwas Gutes tun, zum Beispiel spazieren gehen oder eine Ausstellung besuchen. Tun Sie was für Ihre Spiritualität, um Ihrem Leben Tiefe und Sinn zu geben. Finden Sie zu sich mit Yoga und Klangmassagen. Lernen Sie wieder, auf Ihren Körper und seine Bedürfnisse zu hören, sonst meldet er sich mit schlimmen Krankheiten und macht Ihnen einen Strich durch Ihre Lebensplanung.
Und falls mal was schiefgeht in Ihrem Leben, lernen Sie loszulassen. Zur Erläuterung: Loslassen ist die Kunst, etwas vollkommen unwichtig zu finden, dem man sich eine Sekunde zuvor noch mit all seiner Kraft und Leidenschaft gewidmet hat.
Am liebsten wollen wir alles zugleich: Erfolg im Beruf, viele Freunde, einen tollen Körper, eine glückliche Familie. (...) Wenn wir in allen Bereichen das für uns Optimale erreichen möchten, müssen
wir Zeit und Energie gezielt einsetzen. Wie steht es um Ihre Work-Life-Balance? Wir geben Tipps zur Bestandsaufnahme und zur Verbesserung.
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Den Wettlauf um sein besseres Selbst kann man aber nicht gewinnen. Hat man einmal sein Leben zum Projekt erklärt, dann ist es nie genug. Zumal gleich mehrere Ziellinien überquert werden sollen, von denen manche am
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