Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Ziel die Eudaimonia (das Gelingen der Lebensführung) hat. Am Ende des Lebens lässt sich Bilanz ziehen und feststellen, ob das Leben den Ansprüchen dieser Ethik genügt hat.«
Offensichtlich ist das eine Ethik, die uns heute noch leitet. Woher sonst kommt das Unbehagen, welches unsere Vergnügungen stets begleitet. Wir spüren, dass sich kein Talent in uns entfaltet, während wir uns mit einer Hand Chips in den Mund schieben und mit der anderen die Fernbedienung drücken. Wir kämpfen mit einem schlechten Gewissen, wenn wir Kinder Videospiele spielen lassen, (weil das die einzige Methode ist, um sie ruhig zu stellen), und trösten uns mit der Hoffnung, das Spiel möge ihre Reaktionsgeschwindigkeit fördern. Sie sind es auch, die an unserer statt Spanisch, Ballett und Klavier lernen sollen, da wir es, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschafft haben.
In der arabischen Kultur strebte man traditionell nicht das Glück des Individuums an. Nicht der Staat, sondern die eigenen Kinder waren und sind es teilweise noch heute, die einen im Falle von Krankheit und im Alter absichern. Daher verwirklichen sich Vater und Mutter nicht selbst, sondern buhlen um die Gunst ihres Nachwuchses. Denn, so beschreibt es der syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami in seiner Analyse Das arabische Dilemma (2001): »Wer die Gunst der Kinder erwarb, sicherte seine alten Tage in Würde. Die Frau siegte in dem Kampf um das Wohlwollen der Kinder öfter, solange man in der Wüste lebte. Nicht selten bekamen die Kinder den Namen ihrer Mutter, weil sie der sichere, überlebenswichtige Halt in der Wüste war. Das enge Band der Familie und Sippe war eine unentbehrliche Voraussetzung, um in der lebensfeindlichen Umgebung . . . zu überleben.«
Überleben geht nur gemeinsam, deswegen sind für einen Araber sowohl die Gastfreundschaft als auch die bedingungslose Solidarität mit seiner Familie (arabisch Assabija ) heilig. Persönliche Weiterentwicklung kommt erst an vierter oder fünfter Stelle.
Im Prinzip lässt sich gegen die westliche Selbstverwirklichung nichts einwenden. Doch wann wurde aus der Freiheit zur Selbstverwirklichung ein Zwang? Weshalb verwandelte sich das Vorbild eines antiken Philosophen in eine Karikatur, in einen Siegertypen, der sein Leben als ständige Herausforderung begreift, wie es der Sozialpsychologe Heiner Keupp beschreibt? Wie kommt es, dass wir unserem »innewohnenden Plan« derart misstrauen, dass wir glauben, wir sind genau dann auf dem richtigen Weg, wenn wir uns zwingen und disziplinieren? Warum foltern wir unsere Kinder mit Gitarrenunterricht, Nachhilfestunden und Kinderakrobatik, selbst wenn sie das gar nicht wollen?
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Das Christentum ist schuld daran, dass das, was wir tun, nicht mehr gut genug ist. Kerngedanke des Christentums ist, dass Jesus Christus am Kreuz starb, um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen und ihre Seelen unsterblich zu machen. Plötzlich gab es ein Jenseits, und die Art dieses Jenseits hoffte man durch sein Verhalten im Diesseits zu beeinflussen. Im Jenseits, so versuchte man sich in schweren Zeiten zu trösten, erhielte man auch den Lohn für jene guten Taten, für die die Anerkennung auf Erden ausblieb.
Die Belohnung für alle Selbstbeschränkung und Anstrengung war kurzerhand auf die Zeit nach dem eigenen Ableben verschoben worden. Man konnte nicht mehr zu Lebzeiten verlangen, von der eigenen Leistung zu profitieren. Oder gar eigenständig entscheiden, für heute sei man fleißig und brav genug gewesen und nun habe man sich ein bisschen Völlerei und Hurerei verdient. Denn plötzlich zog man nicht mehr selbst »am Ende seines Lebens« Bilanz, sondern sie wurde gezogen – und zwar von Gott!
Und ob Gott mit dem, was man so geleistet hatte, zufrieden war, ließ sich naturgemäß schwer abschätzen. Vielleicht hatte er andere Maßstäbe als man selbst. Höhere gar, wusste man’s? Besser, man leistete ein bisschen mehr, als man eigentlich für nötig hielt, nur, um auf Nummer sicher zu gehen.
Gut ist uns nicht gut genug.
Werbeslogan der Konkurs gegangenen Warenhauskette Hertie
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Es kam jedoch noch schlimmer. Der Schweizer Reformator Johannes Calvin überlegte sich im
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