Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Welt zu werden.
Manche werden berühmt mit ihrem Entschluss, ganz ohne Geld und Besitz zu leben, wie der britische Wirtschaftswissenschaftler Mark Boyle. Andere, weil sie sich gezielt verunstalten oder lächerlich machen. Aus Überdruss oder Wut verkünden sie, dass sie ihren gesamten Besitz verschenken werden, wie es zum Beispiel der Schweizer Millionär Karl Rabeder getan hat. Die französische Schriftstellerin Christine Angot schrieb über ihre zahlreichen Sexabenteuer mit ihr völlig unbekannten Männern und löste damit einen Skandal aus. Manche gehen von einem Tag auf den anderen nicht mehr zur Arbeit, lassen die Kinder zurück, ziehen in den Krieg, ernähren sich nur noch von rohem Fleisch, verstecken sich im Dschungel, verstoßen gegen jede Regel des Anstands, lügen nicht mehr oder schweigen ganz. Ob sie von Anfang an beabsichtigt haben, durch ihr Tun mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ist unerheblich. Ob bewusst inszeniert oder durch Zufall erzeugt, der persönlichen Disposition und/oder den körperlichen Besonderheiten geschuldet – Extreme werden wahrgenommen, das Mittelmaß nicht.
Es ist auf jeden Fall origineller, das Mittelmaß durch Verweigerung und Protest zu überwinden, anstatt es auf anerkanntem Wege zu versuchen. Es macht in der Regel mehr Spaß, der Welt ins Gesicht zu schreien, dass man keine Lust hat, schön, fleißig, intelligent, anständig und erfolgreich zu sein, anstatt sich anzupassen. Und weil sich das nicht jeder traut, hat man auch weniger Konkurrenz.
Denn berühmt werden wollen viele. Menschen, die sich nicht verweigern oder protestieren können, müssen für dieses Ziel zum Beispiel an Fernsehshows wie DSDS und GNTM teilnehmen. In diesen Sendungen spielt sich in relativ kurzer Zeit das ab, was man auch bei anderen Karrieren in der Wirtschaft oder in der Politik erleben kann. Die in diesem Zusammenhang beobachteten Gesetzmäßigkeiten lassen sich durchaus auf andere Branchen übertragen:
– Man spielt nach fremden Regeln.
– Man muss sich von etablierten Akteuren des Systems beurteilen lassen.
– Diejenigen, die einen beurteilen, sind meist mehrere Jahrzehnte älter als man selbst und lassen einen das büßen.
– Man weiß: Wenn man nicht zu den Besten gehört, war der ganze Stress umsonst.
– Man schwört sich, seine wahre Meinung zu sagen, wenn man die Ochsentour nach oben überstanden hat.
– Wenn man scheitert, muss man mit der Häme und dem Spott des Publikums fertig werden.
All jene, die schon sämtliche Träume aufgegeben haben, sitzen vor dem Fernseher und erfreuen sich an den Demütigungen, die andere über sich ergehen lassen, um im Licht der Öffentlichkeit stehen zu dürfen. Das Leid, das ihnen erspart bleibt, versöhnt sie mit ihrem Schicksal der Unbedeutsamkeit. (Unter anderen Voraussetzungen lassen sich diese Sendungen nämlich nicht ertragen.)
Unvorstellbar, dass ein Mick Jagger oder ein Frank Zappa sich in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts in einer Fernsehshow von dreißig oder vierzig Jahre älteren Männern und Frauen derart hätten demütigen lassen. Sich erst anzupassen und anzubiedern, damit man von einem wenig avantgardistischen Publikum ausgewählt wird, um auf der Bühne dann endlich zur Rebellion gegen das Establishment aufzurufen: Das ist nicht gerade glaubwürdig.
Die Revolte gegen herrschende Autoritäten
lässt man sich nicht von den Autoritäten
selbst absegnen.
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Wer Karriere machen will, kann das also tun, indem er die herrschenden Normen übererfüllt oder indem er sie bricht und unterbietet. Je nachdem, was der eigenen Persönlichkeit entspricht, beziehungsweise wie es sich ergibt. Der Unterschied zwischen einer konventionellen und einer unkonventionellen Karriere besteht darin, dass man bei einer unkonventionellen Karriere eigene Regeln aufstellt. Wer die Kriterien, an denen er sich messen lassen will, selbst definiert . . .
– . . . muss sich nicht optimieren, bevor er Aufmerksamkeit und Anerkennung einfordert, sondern lediglich seine Eigenheiten herausstreichen.
– . . . wird nicht mit anderen verglichen, da dies ja keinen Sinn ergibt.
– . . . muss keine Kritik fürchten, denn jede herablassende Bemerkung über die, die es anders machen, fällt auf die Kritiker selbst zurück.
– . . . schafft eine eigene Kategorie, und in der eigenen Kategorie gibt es keinen zweiten und dritten Platz.
– . . . wird eher um seine Meinung gefragt, als dass ihm der Mund verboten wird.
Gerade im Showbusiness muss man
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