Ich blogg dich weg!
war genau der richtige für eine so ausdrucksstarke, volle Stimme, wie Julie sie hatte. Mit ihrem Gesang war der Song fast noch besser, als wenn er im Radio lief. Und das, obwohl er hier nicht abgemischt war. Ihre Stimme war einfach großartig.
Wir beendeten den Song gemeinsam, und auch das klappte gut.
„Noch eins?“, fragte Sebastian mich.
Ich nickte.
Julie blätterte in ihrem Notenbuch herum.
„True Colours?“ , fragte sie. „Von Cyndi Lauper. Kennst du das?“
Ich nickte. Zum Glück kannte ich das tatsächlich, denn meine Mutter ließ das schon mal laufen, wenn sie viel Wein getrunken hatte. War das nicht typische Müttermusik?
„Gibt es einen Besen?“, fragte ich. Es würde gut passen, wenn ich den Anfang rühren würde. Sebastian wies mit dem Kopf auf das Regal hinter dem Schlagzeug, und tatsächlich gab es dort einen Besen, der anscheinend selten benutzt wurde.
Wir spielten das Stück und wieder staunte ich über Julies Stimme. Ob sie wohl Gesangsunterricht nahm? Oder machte sie intuitiv alles richtig?
„Okay“, sagte Sebastian, nachdem wir zu Ende gespielt hatten. Er nickte dem Blonden zu, aber der wollte immer noch nicht, deshalb drängte sich Marek hinter das Schlagzeug und stellte sich die Fußmaschine ein.
Ich stellte mich an die Kellerwand und hörte zu.
Marek machte sich nicht mal schlecht, aber ich persönlich fand, dass er etwas ungenau spielte, eher so, als passe er sich an, nicht so, als ob er den Takt bestimmte.
Nach zwei Songs war der kleine Blonde dran, doch der war so eingeschüchtert, dass er die Einsätze verpasste und dann nur noch dumpf einen Viervierteltakt schlug, ohne auf den Rest von Jase Noju zu achten.
„Also gut“, sagte Julie, nachdem der kleine Blonde fertig war. Die drei von Jase Noju wechselten Blicke. Anscheinend wollten sie sich gerne ohne uns weiter unterhalten. „Wir rufen euch an. Ist das okay?“
„Klar“, sagte ich.
„Mein Vater hat übrigens eine Medienagentur. Da könntet ihr ruhig mal ein Demo hinschicken“, sagte Marek und holte eine Visitenkarte aus der hinteren Tasche seiner Jeans. „Vielleicht ergibt sich da ja was.“
„Aha“, machte Jasmina und nahm die Karte. „Klingt ja interessant.“
Julie sah mich an und dann grinste sie ein bisschen.
Vielleicht machte die Medienagentur von Mareks Vater nicht so viel Eindruck auf sie, überlegte ich, als ich nach Hause ging. Vielleicht würde ich tatsächlich die neue Schlagzeugerin von Jase Noju werden. Hoffentlich! Wenn das meine alten Bandmitglieder aus Berlin wüssten!
JASMINA
„Er kommt schon noch“, sagte Sebastian. Das war tröstend gemeint, aber ich wollte so etwas wirklich nicht hören. Er saß über seinen Hausaufgaben und schaute sich nebenbei seine blöde amerikanische Krankenhausserie an.
Seit einer Viertelstunde lungerte ich in unserem Wohnzimmer herum. Ich trug meinen neuen Sommerrock und ein Top mit schmalen Trägern. Die Strickjacke, die ich heute Abend darüber anziehen wollte, umklammerte ich mit meinen verschwitzten Händen. Ben war schon eine Viertelstunde zu spät. Ich hasste es zu warten. Ich hasste es, dass es mir so wichtig war, dass Ben pünktlich kam, an unserer Haustür klingelte und mich zum Auto brachte, das er sich für heute Abend geliehen hatte. Auf meinem Smartphone war keine Nachricht von ihm.
„Da ist er ja“, rief Sebastian.
Ich hatte das bremsende Auto auch gehört und sprang auf. Aber das war falsch. Ich rannte die Treppe rauf ins Badezimmer.
„Sag ihm, dass ich noch nicht fertig bin“, zischte ich Sebastian zu.
„Was für blöde Spielchen“, brummte er.
„Machen die da doch die ganze Zeit.“ Ich nickte zu dem Fernseher hin, wo gerade der Hausmeister vorgab, Chirurg zu sein.
„Das ist …“, wollte Sebastian mir erklären, aber ich war schon die Treppe hoch.
Ben klingelte an der Haustür. Ich hörte, wie Sebastian ihm öffnete und erzählte, dass ich noch nicht ganz fertig sei.
Das war mein Stichwort. Ich schüttelte mein Haar zurück und nahm langsam die ersten Stufen.
„Hallo, Ben!“ Meine Stimme klang vielleicht zu begeistert.
„Wow, du siehst großartig aus!“, sagte Ben und grinste mich an. Ben hatte große gesunde Zähne, die er jetzt zeigte. Er sah ebenfalls großartig aus. Er hatte seine kurzen Haare ein bisschen zu sehr gegelt, aber ich fand das rührend.
„Danke“, sagte ich nur. Natürlich konnte ich das Kompliment nicht einfach so erwidern. Ich gab ihm stattdessen ein kleines Küsschen auf die Wange.
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