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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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ein lebenswertes Leben aufzubauen. Ich dachte an den Brief in meiner Handtasche. Eine Botschaft aus der Vergangenheit. Das letzte Puzzleteilchen. Die Antworten, die ich brauchte.
    »Ich ruf dich an«, sagte sie. »Anfang nächster Woche. Okay?«
    »Okay«, sagte ich. Sie umarmte mich, und meine Stimme verlor sich in ihren Locken. Sie war meine einzige Freundin, das Einzige, worauf ich mich verlassen konnte, zusammen mit Ben. Meine Schwester. Ich drückte sie fest. »Danke, dass du ehrlich zu mir warst«, sagte ich. »Danke. Für alles. Ich hab dich lieb.« Als wir uns voneinander lösten und uns ansahen, weinten wir beide.
    ***
    Zu Hause setzte ich mich hin, um Bens Brief zu lesen. Ich war nervös – würde ich daraus erfahren, was ich wissen musste? Würde ich dann endlich verstehen, warum Ben mich verlassen hatte? –, aber gleichzeitig auch froh. Ich war mir sicher, alles zu erfahren. War mir sicher, dass ich mit dem Brief und Ben und Claire alles haben würde, was ich brauchte.
     
    Christine, meine Liebste
,
    diesen Brief zu schreiben ist das Schwerste, was ich je in meinem Leben tun musste. Schon dieser Auftakt klingt ziemlich abgedroschen, aber ich bin nun mal kein Schriftsteller – das war immer Dein Metier! –, also entschuldige, aber ich werde mein Bestes tun.
    Wenn Du diese Zeilen irgendwann liest, weißt Du es bereits, aber ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich Dich verlassen muss. Ich bin kaum fähig, es hinzuschreiben oder auch nur zu denken, aber ich muss. Ich habe verzweifelt nach einem anderen Weg gesucht, aber keinen gefunden. Glaub mir.
    Du sollst wissen, dass ich Dich liebe. Immer geliebt habe. Immer lieben werde. Es ist mir egal, was passiert ist oder warum. Es geht hier nicht um Rache oder so etwas. Und ich habe auch keine andere Frau kennengelernt. Als Du im Koma lagst, wurde mir klar, wie sehr Du ein Teil von mir bist – jedes Mal, wenn ich Dich ansah, hatte ich das Gefühl, zu sterben. Ich begriff, dass mir egal war, was Du in der Nacht in Brighton gemacht hast oder mit wem Du dort zusammen warst. Ich wollte bloß, dass Du zu mir zurückkommst.
    Und dann bist Du aufgewacht, und ich war überglücklich. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als man mir sagte, Du seist außer Gefahr, Du würdest nicht sterben. Dass Du mich nicht verlassen würdest. Das heißt, uns. Adam war noch so klein, aber ich glaube, er hat es verstanden.
    Als sich herausstellte, dass Du keine Erinnerung daran hattest, was passiert war, dachte ich, dass das gut wäre. Ist das zu fassen? Heute schäme ich mich dafür, aber ich dachte, es wäre besser so. Doch dann stellte sich heraus, dass Du anfingst, auch andere Dinge zu vergessen. Nach und nach, mit der Zeit. Zuerst die Namen von den anderen Patientinnen in Deinem Zimmer, von den Ärzten und Krankenschwestern. Aber es wurde immer schlimmer. Du wusstest nicht mehr, dass Du im Krankenhaus warst, warum Du nicht mit mir nach Hause gehen durftest. Du hast Dir eingeredet, die Ärzte würden mit Dir Versuche machen. Als ich Dich übers Wochenende nach Hause holte, hast Du unsere Straße nicht wiedererkannt, unser Haus. Deine Cousine kam Dich besuchen, und Du hattest keine Ahnung, wer sie war. Als wir Dich zurück ins Krankenhaus brachten, wusstest Du nicht, wohin wir mit Dir wollten.
    Ich glaube, das war der Moment, von dem an es richtig schwierig wurde. Du liebtest Adam so sehr. Das sah man daran, wie Deine Augen strahlten, wenn wir Dich besuchen kamen, und wenn er dann zu Dir lief, in Deine Arme, und Du ihn hochhobst, wusstest Du auf Anhieb, wer er war. Aber dann – es tut mir leid, Chris, aber ich muss es Dir sagen – glaubtest Du auf einmal, Adam wäre Dir als Baby weggenommen worden. Jedes Mal, wenn wir zu Besuch kamen, dachtest Du, Du würdest ihn das erste Mal wiedersehen, seit er ein paar Monate alt war. Ich hab ihn immer gebeten, Dir zu sagen, wann er Dich zuletzt gesehen hatte, und er sagte dann: »Gestern, Mummy«, oder »letzte Woche«, doch Du wolltest ihm nicht glauben. »Was hast Du ihm da eingeredet?«, hast Du zu mir gesagt. »Das ist eine Lüge.« Du hast mich bezichtigt, ich würde Dich dort einsperren. Du hast gedacht, eine andere Frau würde Adam als ihren Sohn großziehen, während Du im Krankenhaus warst.
    Als ich eines Tages mit Adam kam, hast Du mich nicht erkannt. Du bist durchgedreht. Du hast Adam gepackt, als ich gerade nicht hinschaute, und bist zur Tür gerannt, um ihn zu retten, denke ich, aber er hat angefangen

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