Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
bestanden, dir einen neuen Kaffee zu kaufen. Du hast gesagt, eigentlich müsstest du mich einladen, als Entschuldigung, und ich hab gesagt, also gut, und wir sind Kaffee trinken gegangen.
Voilà
.«
Ich versuchte, mir die Szene vorzustellen, mich an uns beide zu erinnern, jung, in einer Bibliothek, umgeben von durchnässten Unterlagen, lachend. Ich konnte es nicht, und ein heißer, trauriger Stich durchfuhr mich. Mir kam der Gedanke, dass doch jedes Paar die Geschichte liebt, wie alles anfing – wer wen zuerst angesprochen hat, wer was gesagt hat –, ich dagegen habe keinen Funken Erinnerung an unsere erste Begegnung. Der Wind riss an dem Schwanz des Papierdrachens, den der kleine Junge steigen ließ; ein Geräusch wie ein Todesrasseln.
»Wie ging es dann weiter?«, fragte ich.
»Na ja, wir wurden ein Paar. Das Übliche eben. Ich hab mein Diplom gemacht, du deinen Doktor, und dann haben wir geheiratet.«
»Wer hat wen gefragt?«
»Oh«, sagte er. »Ich hab dich gefragt.«
»Wo? Erzähl mir, wie es war.«
»Wir waren total verliebt«, sagte er. Er schaute weg, in die Ferne. »Wir waren ständig zusammen. Du hast in einer WG gewohnt, aber du warst praktisch nie dort. Die meiste Zeit warst du bei mir. Es bot sich einfach an, dass wir zusammenziehen, heiraten. Also hab ich am Valentinstag ein Stück Seife für dich gekauft. Teure Seife, deine Lieblingssorte, und ich hab die Zellophanverpackung abgemacht und einen Verlobungsring in die Seife gedrückt, und dann hab ich sie wieder eingepackt und dir geschenkt. Als du an dem Abend im Bad warst, hast du den Ring entdeckt, und du hast ja gesagt.«
Ich lächelte in mich hinein. Es klang ein bisschen chaotisch, ein mit Seife verkrusteter Ring, und es wäre ja auch durchaus möglich gewesen, dass ich die Seife nicht benutzt oder den Ring erst Wochen später gefunden hätte. Aber dennoch, die Geschichte war nicht unromantisch.
»Mit wem hab ich zusammengewohnt?«, fragte ich.
»Oh«, sagte er. »Das weiß ich gar nicht mehr. Mit irgendeiner Freundin. Jedenfalls, im Jahr darauf haben wir geheiratet. In einer Kirche in Manchester, in der Nähe vom Haus deiner Mutter. Ich war inzwischen in der Lehrerausbildung, deshalb hatten wir nicht viel Geld, aber es war trotzdem eine schöne Hochzeit. Die Sonne schien, alle waren fröhlich. Und dann sind wir in die Flitterwochen gefahren. Nach Italien. Die Seen. Es war wunderbar.«
Ich versuchte, mir die Kirche vorzustellen, mein Kleid, den Blick aus einem Hotelzimmer. Es ging nicht.
»Ich erinnere mich an gar nichts«, sagte ich. »Es tut mir leid.«
Er schaute weg, wandte den Kopf so, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. »Das macht nichts. Ich versteh das.«
»Es gibt nicht viele Fotos«, sagte ich. »In dem Album, meine ich. Da sind gar keine Fotos von unserer Hochzeit drin.«
»Es hat gebrannt«, sagte er. »In dem letzten Haus, in dem wir gewohnt haben.«
»Gebrannt?«
»Ja«, sagte er. »Unser Haus ist praktisch abgebrannt. Wir haben viele Sachen verloren.«
Ich seufzte. Es kam mir unfair vor, dass ich sowohl meine Erinnerungen als auch meine Andenken an die Vergangenheit verloren hatte.
»Wie ging es dann weiter?«
»Dann?«
»Ja«, sagte ich. »Danach. Nach der Hochzeit und den Flitterwochen.«
»Wir sind zusammengezogen. Wir waren sehr glücklich.«
»Und dann?«
Er seufzte und sagte nichts.
Das kann nicht sein
, dachte ich.
Das kann nicht mein ganzes Leben beschreiben. Das kann nicht alles sein, worauf es hinausläuft. Hochzeit, Flitterwochen, Ehe
. Aber was hatte ich sonst erwartet? Was hätte da sonst noch sein können?
Die Antwort kam unvermittelt. Kinder. Babys. Mit einem Frösteln wurde mir klar, was offensichtlich in meinem Leben, in unserem Zuhause fehlte. Auf dem Kaminsims waren keine Fotos von einem Sohn oder einer Tochter – mit einem Zeugnis in der Hand, beim Wildwasserfahren oder bloß gelangweilt für die Kamera posierend – und auch keine von Enkelkindern. Ich hatte kein Kind bekommen.
Die Enttäuschung traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Das unerfüllte Verlangen war tief eingebrannt in mein Unterbewusstsein. Obwohl ich beim Aufwachen nicht gewusst hatte, wie alt ich bin, musste ein Teil von mir gewusst haben, dass ich ein Kind gewollt hatte.
Plötzlich sah ich meine eigene Mutter, die von der biologischen Uhr sprach, als wäre es eine Zeitbombe. »Beeil dich, all das im Leben zu erreichen, was du erreichen willst«, sagte sie, »weil du nämlich schön zufrieden vor dich hin
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