Ich darf nicht vergessen
ist still. Ein ruhiger Tag am Strand. Als sie Hunger bekommen, packen sie das Picknick aus, essen ein paar sandige Sandwiches und spülen sie mit Rotwein hinunter. Ein idyllischer Nachmittag am Strand in Gesellschaft von Freunden. Alles ist perfekt. Perfekter, als es je wieder sein wird. Er schweigt einen Moment, offenbar in Erinnerungen versunken.
Die Blondine schreibt wie verrückt. Was für ein schönes Geschenk, diese Geschichte, sagt sie. Jennifer wird sich freuen, sie später zu lesen. Aber mir geht ein Licht auf. Mehr als ein Licht, ein Technicolor-Farbfilm. Ein Feuerwerk aus Bildern. Das alle meine Sinne weckt. Ich spreche schnell, ehe sich alles wieder auflöst.
Ja. Das sandige Sandwich, das zwischen den Zähnen knirscht. Der saure Wein. Das Atomkraftwerk, das in den Himmel aufragt. Die Erwachsenen trinken vielleicht ein bisschen zu viel. Die Stimmen werden lauter. Es wird mehr gelacht. Der ältere Mann trinkt keinen Wein: Er muss Auto fahren, aber er schenkt den anderen immer wieder nach. Die anderen drei trinken mehr, als ihnen guttut. Mehr als nötig, um den Durst zu stillen. So viel, dass sie sich vergessen und in einen archaischen Zustand verfallen.
Richtig, sagt der Mann. Er öffnet den Mund, als wollte er weitererzählen, aber ich rede weiter, verfolge den Film in meinem Kopf. Ich spüre die Mittagshitze auf meinen nackten Armen. Den Sand an meinen Schenkeln. Höre die Schreie der mutierten Vögel.
Die ältere Frau bringt den Stein ins Rollen. Sie fragt den jüngeren Mann, ob ihm an seiner Frau eine Veränderung aufgefallen sei.
Eine Veränderung?, fragt der jüngere Mann.
Ihr Haar. Ihre Kleidung. Sie wirkt so strahlend.
Nein, ist mir nicht aufgefallen. Sie sieht immer groÃartig aus. Er lächelt seine Frau liebevoll an und bedeutet dem älteren Mann, er möge ihr noch einmal nachschenken.
Die jüngere Frau ist verblüfft. Etwas passiert, womit sie nicht gerechnet hat.
Ist dir noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie einen Grund zum Feiern haben könnte?, fragt die ältere Frau. Dass etwas passiert ist, worüber sie sich freut? Vielleicht nicht gerade etwas, worüber sich jede Frau freuen würde. Aber sie ist keine normale Frau.
Der jüngere Mann ist plötzlich hellwach. Er ist ein aufstrebender Anwalt. So benimmt er sich im Gerichtssaal, im Sitzungssaal. Es gibt keinen Ball, den er nicht fängt, keine Enthüllung, über die er nicht bereits im Detail informiert wäre.
Meine Frau ist nicht dumm, sagt er.
Aber du vielleicht, sagt die ältere Frau. Sie trinkt einen Schluck Wein, fixiert den Mann jedoch weiterhin mit ihrem Blick.
Ich kann dir nicht folgen.
Macht ist etwas Seltsames.
Stimmt. Aber was hat das mit diesem Gespräch zu tun?
Es heiÃt, Wissen ist Macht, sagt die ältere Frau.
Und Unwissen ein Segen, sagt der jüngere Mann verächtlich.
HeiÃt das, du möchtest dieses Gespräch lieber beenden?
Der jüngere Mann überlegt. Nein, sagt er. Ich möchte wissen, worauf du hinauswillst.
Die jüngere Frau meldet sich zu Wort. Ich auch.
Der ältere Mann ist der Einzige, der nichts begreift. Die anderen drei sehen einander feindselig an. Die Kinder zanken sich um ein Sandspielzeug.
Der jüngere Mann bricht das Schweigen. Sie weià es also. Ich bin nicht gerade diskret vorgegangen. Wenn sie mich gefragt hätte, hätte ich es ihr gesagt. Es ist nicht wichtig. Nichts kann zerstören, was uns verbindet.
Die jüngere Frau entspannt sich. Was der Mann gesagt hat, erleichtert sie. Sie zuckt die Achseln. Es gab nichts zu fragen. Nichts, was die Mühe wert gewesen wäre zu fragen. Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt. Herausgefunden, was ich wissen musste. Eine banale Affäre, die bald vorbei sein wird. Mehr nicht.
Der jüngere Mann lächelt, ein seltsames, beinahe stolzes Lächeln. Richtig. So zerbrechlich ist unsere Ehe nicht.
Allerdings nicht.
Ah, sagt die ältere Frau. Aber es geht nicht um Banalitäten. Ganz und gar nicht. Sex ist banal. Ich wollte nicht über Sex reden. Ich wollte über das reden, was eine Familie entweder zusammenhält oder auseinanderreiÃt. Etwas viel Stärkeres als Sex oder Liebe. Nämlich Geld.
Die jüngere Frau verkrampft sich wieder, ihre Miene wird starr. Tuâs nicht, sagt sie.
Die ältere Frau wendet sich an den jüngeren Mann. Du schlieÃt die Tür deines Arbeitszimmers ab. Du schlieÃt
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