Ich darf nicht vergessen
lassen, so dringend, wie du es brauchst, um zu funktionieren.
Fiona hat einmal deinen Pager ins Klo geworfen und dann die Spülung betätigt. Mark, längst nicht so gewieft, hat einen im Garten vergraben, und du hast ihn beim Frühstück piepen hören. Du hast die Kinder nicht bestraft, denn du wusstest ja, dass sie nur ihre darwinistische Bestimmung auslebten. Wer wird das Erdreich besitzen? Jedenfalls keiner deiner Sprösslinge.
Du hast fast die StraÃe erreicht. Ãberall Schilder, UNBEFUGT PARKENDE FAHRZEUGE WERDEN ABGESCHLEPPT . Eine Einfahrt, ein Wachmann, der gerade ein hüfthohes Schild aufstellt, ALLE PARKPLÃTZE BELEGT . Er nickt dir zu.
Die Gehwege sind voll, hauptsächlich mit jungen Leuten, die fast nichts anhaben. Junge Frauen in kurzen Sommerkleidern mit Spaghettiträgern, die den dünnen Stoff über ihren kleinen Brüsten halten. Junge Männer in viel zu groÃen Shorts, die ihnen bis über die Knie reichen und von den schmalen Hüften rutschen. Cafés mit Tischen und Sonnenschirmen, die den halben Gehweg beanspruchen und die Leute zwingen, auf die StraÃe auszuweichen. Hupende Autos. Pflanzkübel mit Blumen so farbenprächtig und perfekt, dass sie unecht wirken. Aber du siehst, wie eine Frau eine Blüte abpflückt und sie sich ins Haar steckt. Kellner jonglieren schwer beladene Tabletts über ihren Köpfen. Rote, pinkfarbene und blaue Cocktails in hohen, V-förmigen Gläsern. Leute, die aus winzigen weiÃen Tassen trinken. Riesige Salatteller.
Alles, wie es sein sollte. Alles an seinem Platz. Wo ist dein Platz. Wo gehörst du hin.
Du merkst, dass du den Verkehr aufhältst. Die Leute weichen höflich aus, aber du störst. Ein Mann rempelt gegen deinen Ellbogen. Er bleibt kurz stehen, um sich zu entschuldigen. Du nickst und sagst, kein Problem, und gehst weiter.
Sommer in der Stadt. Wie aufregend es war, als deine Eltern dir zum ersten Mal erlaubt haben, allein herzukommen, weit weg von den Reihenhäusern von Germantown, den asphaltierten Schulhöfen und Geschäftszeilen, den Glasereien und Druckereibetrieben. Weit weg von dem ruÃfarbenen Haus und den Zügen, die durch den Garten ratterten. Weit weg von deiner Mutter und ihrem Zigeunercharme. Schwarzhaarig, schön und voller Magie.
Als junges Mädchen hast du dich in Stein verwandelt, um ihr etwas entgegenzusetzen. Hast geschworen, niemals einen Menschen mit Hilfe von Zauberei an dich zu binden. Ein Schwur, der leicht zu halten war, da du keine Magie zur Verfügung hattest. Keinen Charme. Keine nennenswerte Schönheit.
Deine Anziehungskraft, soweit vorhanden, war kühlerer Natur. Berührt Nervenenden/mit thermischen Eiszapfen. Wer hat dir das gesagt? Egal. Wie sich herausstellte, gab es Leute, denen das gefiel. Sogar eine ganze Menge.
D u bist schon kilometerweit gelaufen. Stundenlang. In Richtung Süden, der Sonne nach zu urteilen, die gerade zu deiner Rechten untergeht. Diese endlose StraÃe endloser Feste. So weit das Auge reicht, ein Jahrmarkt der Vergnügungen. Und keine Möglichkeit, sich zu setzen.
Hunger macht sich bemerkbar. Es ist längst Abendessenszeit, deine Mutter macht sich bestimmt Sorgen. Plötzlich hast du genug von dem fröhlichen Treiben, würdest gern wieder mit der stillen Küche, dem trockenen Schmorbraten, den weichen, braunen Kartoffeln und den verkochten Möhren vorliebnehmen. Du merkst, dass du regelrecht ausgehungert bist. Was hält dich zurück? Du bist umgeben von Ãberfluss!
Etwas zögerlich näherst du dich dem nächstbesten Restaurant. Italienisch, mit unaussprechlichem Namen, der in Neonleuchtschrift über einer berankten Pergola prangt. Auf der Terrasse vielleicht ein Dutzend Tische mit weiÃen Tischdecken, alle besetzt.
Der Lärm ist ohrenbetäubend. Man kann nicht in das Restaurant hineinsehen, weil es drinnen dunkel ist, und am Eingang drängen sich Leute, die lachen und schwatzen, mindestens ein Dutzend Männer und Frauen mit vollen Rot- oder WeiÃweingläsern lehnen am Terrassengeländer und prosten einander zu. Du versuchst, näher an die Tür zu gelangen, um einen Blick ins Innere zu erhaschen.
Für eine Person, Maâam?, fragt ein Mann in Jeans und einem weiÃen Hemd. Redet er mit dir? Du siehst dich um, aber es ist niemand sonst in der Nähe.
Mein Mann sucht noch einen Parkplatz, sagst du. Das muss stimmen. Du gehst nicht allein in
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