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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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einen Schluck. Es brennt in der Kehle, aber es ist nicht ekelhaft. Du trinkst noch einen Schluck, und schon ist das Glas leer.
    Noch einen?, fragt der Barmann. Du bist verblüfft. Du hast gar nicht gemerkt, dass er immer noch da ist, dich immer noch beobachtet. Du nickst. Testest noch einmal deine Stimme.
    Aber sicher, sagst du.
    Er lacht auf, und wieder siehst du diesen Blick. Er stellt ein neues kleines Glas auf den Tresen, füllt es und schiebt es zu dir. Du lässt es stehen, wendest dich dem großen, kühlen Glas zu und trinkst einen kleinen Schluck. Das geht leichter runter. Bier, ja.
    Dein Vater schenkt dir immer ein bisschen in eine Teetasse, wenn er für sich eine Flasche aufmacht. Diese Flüssigkeit löscht deinen Durst auf ganz andere Weise. Du trinkst einen großen Schluck davon. Auf einmal fühlst du dich richtig wohl– du hattest gar nicht gemerkt, wie angespannt du warst. Die Anspannung löst sich. Langsam breitet sich wohlige Wärme aus. Die Gliedmaßen werden schwer. Die Farben werden leuchtender, die Geräusche gedämpfter. Du bist in einer Kuschelecke dieses lebenden Organismus angekommen, in einem vertrauten Winkel. Hier gefällt es dir. Von jetzt an wirst du jeden Abend hierherkommen. Du wirst deine Eltern mitbringen, und sie werden diese Leute hier schwer beeindrucken, deine Kameraden.
    Der Barmann legt eine Serviette und Besteck vor dich hin. Du nimmst das Messer in die Hand. Dieses Ding vermittelt dir etwas. Etwas Vertrautes und zugleich Fremdes. Du empfindest etwas wie Vorfreude. Du drückst die scharfe Kante des Messers auf den hölzernen Tresen und ziehst es auf dich zu. Eine weiße Linie erscheint auf dem Holz, exakt und gerade.
    Wenn du mehr Kraft hättest und das dunkle Material spalten könntest, was würde herauskommen? Was würde sich dir offenbaren? Wie aufregend, das zu erforschen! Du nimmst dein Bierglas und trinkst. Herrlich. Du hattest gar nicht bemerkt, wie angespannt deine Schultern und deine Nackenmuskeln waren.
    Erwarten Sie jemanden?
    Die Stimme kommt von einer jungen Frau zu deiner Linken. Sie ist ungefähr in deinem Alter. Möglicherweise ein bisschen älter. Zwanzig. Vielleicht zweiundzwanzig. Sehr hübsch. Ihr Haar ist so geschnitten, dass es an einer Seite länger ist als auf der anderen, und die Spitzen sind fransig. Nicht unattraktiv. Sie hat ein angenehmes Lächeln. Ihre Lider sind blau geschminkt, die Wimpern getuscht, um die Augen groß und leuchtend wirken zu lassen.
    Erwarte ich jemanden?, überlegst du. Du möchtest antworten, aber du bist dir nicht sicher, dass deine Worte das ausdrücken, was du sagen willst. Du versuchst es.
    Nein, sagst du. Ich bin allein hier.
    Es ermutigt dich, dass sie nicht irritiert ist. Du versuchst es noch einmal. Ich hatte Hunger, sagst du. Es sah einladend aus hier.
    Ja, das ist ein netter kleiner Laden. Wir kommen sehr gern hierher. Sie zeigt auf einen jungen Mann neben sich. Er schaut auf den Fernseher. Und Ron kümmert sich rührend um alle Gäste. Sie lächelt den Mann hinter dem Tresen an. Er beugt sich zu dir vor und spricht in vertraulichem Ton.
    Falls diese junge Frau Sie belästigt, sagen Sie mir Bescheid. Dann kümmere ich mich um sie. Die hübsche junge Frau lacht.
    Vor dir erscheint ein Teller mit Nudeln in einer dicken, roten Soße. Es duftet köstlich. Du hast einen Bärenhunger. Du nimmst die Gabel und fängst an zu essen.
    Lassen Sie mich raten. Sie sind Professorin. Das sagt der junge Mann, der links neben der jungen Frau sitzt. Er hat sich von dem Fernseher und den schönen jungen Frauen abgewendet und spricht anscheinend mit dir.
    Wie bitte? Du wischst dir den Mund ab. Das Essen ist so lecker, wie es aussieht. Die Nudeln al dente, die Soße aromatisch und würzig. Viel besser, als du sie selbst hinbekommen würdest. James ist der Koch in der Familie, die Kinder machen enttäuschte Gesichter, wenn sie nach Hause kommen und dich in der Küche vorfinden.
    Die junge Frau schaltet sich ein. Das ist ein Spiel, das wir in Kneipen spielen. Raten, was die Leute von Beruf sind. Er findet, Sie sehen aus wie eine Professorin. Das meine ich auch. Aber ich muss nachdenken, bevor ich rate. Es geht um viel. Der Gewinner muss eine Runde ausgeben. Sie legt eine Hand an die Stirn und tut so, als würde sie sich den Kopf zerbrechen. Auf jeden Fall haben Sie mal einen Beruf ausgeübt, sagt sie. Sie waren nicht nur Hausfrau.
    Der

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