Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica

Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica

Titel: Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DOROTHY ELBURY
Vom Netzwerk:
bei ihrem Begleiter unter. „Die Gaslaternen stehen ziemlich weit auseinander auf diesem Weg, nicht wahr?“, bemerkte sie flüsternd.
    „Es würde wahrscheinlich zu viel kosten, die Abstände zu verkürzen“, erwiderte Mr. Allardyce und tätschelte ihr beruhigend die Hand. „Ich möchte wissen, was Pevensey auf die Idee gebracht hat, hierher zu gehen. Es ist doch alles ande…“
    Mr. Allardyce brach unvermittelt ab, und zu Jessicas Entsetzen sackte er zu ihren Füßen zusammen. Blut quoll aus einer Platzwunde an seinem Hinterkopf, und bevor sie um Hilfe zu rufen vermochte, wurde es stockdunkel um sie. Jemand hatte ihr eine dicke, kratzige Decke übergeworfen, die ihre empörten Proteste erstickte. Im nächsten Moment wurde sie von riesigen Pranken hochgehoben und grob durch die Büsche am Wegrand gezerrt, sodass ihre Röcke mehrfach in den dornigen Zweigen hängen blieben und rissen und sie obendrein einen Slipper verlor.
    Oh Gott, dachte sie bestürzt. Nicht noch eine Entführung! Matt wird durchdrehen! Sie hörte auf, sich erbittert gegen den Unbekannten zu wehren, und erschlaffte in seinen Armen. In dem Wissen, dass sie ein wahrer Hitzkopf werden konnte, wenn man ihren Zorn erregte, erschien es ihr sinnvoller, Kraft zu sparen, bis sich eine passende Gelegenheit ergab.
    „Scheint ohnmächtig geworden zu sein, die Kleine“, hörte sie eine raue Stimme murmeln. „Sollen wir die Decke wegnehmen, was meinst du?“
    „Besser nich’“, erwiderte ein zweiter Mann in der gleichen gewöhnlichen Mundart. „Kann nix schaden, wenn sie drin eingewickelt bleibt. Außerdem is’ die Kutsche gleich da.“
    Das Herz wild klopfend, stellte Jessica fest, dass ihr Entführer stehen geblieben war. Einen Augenblick später vernahm sie gedämpftes Huftrappeln und das Knirschen von eisenbeschlagenen Rädern auf Kies und schloss daraus, dass sie sich an einer Straße außerhalb der Vauxhall Gardens befinden musste. Dann öffnete jemand den Wagenschlag, sie wurde hochgehoben und ohne viel Federlesens auf eine Sitzbank verfrachtet.
    In der Erwartung, dass die Männer ebenfalls einsteigen würden, blieb Jessica reglos auf dem Rücken liegen, doch zu ihrer Überraschung fiel die Tür ins Schloss, ohne dass dies geschah. Stattdessen hörte sie, wie jemand auf den Kutschbock kletterte, und wusste, dass zumindest einer ihrer Entführer mitfuhr. Kurz darauf setzten sich die Pferde in Bewegung, und sie spürte das sachte Auf und Nieder eines Gefährts, das mit einer ebenso erstklassigen Federung ausgestattet sein musste wie der Landauer ihres Bruders.
    Die Chaise eines Gentleman, dachte sie, während sie sich vorsichtig aus der übel riechenden Decke befreite. Im ersten Moment blinzelte sie verblüfft in die anhaltende Schwärze um sie her. Wie sie jedoch rasch herausfand, rührte die Dunkelheit daher, dass die Ledervorhänge vor den Fenstern nicht nur zugezogen, sondern fest mit dem Rahmen vernietet worden waren. Als sie zudem erkannte, dass ihre Entführer, wie nicht anders zu erwarten, die Tür versperrt hatten, musste sie sich zusammennehmen, um nicht vor Wut und Enttäuschung zu schreien.
    Bis die Kutsche ihr Ziel erreichte, würde sie nicht viel unternehmen können. Sie versuchte sich die Rechts- und Linksabbiegungen zu merken, aber der einzige Teil der Wegstrecke, den sie zweifelsfrei identifizieren konnte, war die Vauxhall Bridge. Wenigstens fahren wir nach Norden, und der ununterbrochenen Vorwärtsbewegung nach zu urteilen, wohl in Richtung St. James’s Park, dachte sie, für einen Moment erleichtert, um sich nach einer Reihe weiterer Kurven eingestehen zu müssen, dass sie die Orientierung verloren hatte.
    Schließlich kam das Gefährt mit einem Ruck zum Stehen. Jemand kletterte zu Boden, und einen Moment später wurde die Tür aufgerissen. Ihren Protesten zum Trotz warf man ihr erneut die stinkende Decke über den Kopf, dann spürte sie, wie ihr Peiniger sie aus der Kutsche hob, sich über die Schulter warf und durch eine Tür und eine Treppe hinauftrug, ehe er sie kurzerhand auf eine Unterlage fallen ließ, die sich als eine gut gepolsterte Chaiselongue erwies.
    Als Jessica die Decke wegstieß, sah sie sich einem schäbig gekleideten, pockennarbigen Galgenvogel gegenüber, der anzüglich auf sie herunterstarrte.
    „Sind alle verriegelt, die Fenster“, verkündete er grinsend und wies mit einer kurzen Bewegung des Kinns hinter sie. „Hat auch keinen Zweck, um Hilfe zu schreien – is’ nämlich keiner da, der’s hört.

Weitere Kostenlose Bücher