Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Pferdewetten gibt es für Außenseiter sogar noch die besseren Quoten. Auf Underdogs zu setzen, kann sich lohnen!
Erstaunlicherweise verhalten sich mehr Menschen so, als man gemeinhin annehmen würde. Allenfalls besonders mutige und selbstbewusste Zeitgenossen scheinen gegen den Effekt immun. Als zum Beispiel Jimmy Frazier und Eldon Snyder von der Bowling-Green-State-Universität 1991 rund 100 Studenten für einen entsprechenden Versuch anwarben, sollten die sich entscheiden, ob sie lieber zu Mannschaft A oder B halten wollten. Team A wurde von den Wissenschaftlern als eindeutig überlegen angepriesen. Einmal dürfen Sie raten, für wen sich die Studenten entschieden … Richtig! 81 Prozent drückten Team B die Daumen. Dann begannen die Spiele, und wenig später wurde den Studenten erzählt, Team B hätte es irgendwie geschafft, sich die ersten drei Runden zu behaupten. Was denken Sie, passierte nun? Falsch! Rund die Hälfte derjenigen, die zunächst Team B die Treue geschworen hatten, wechselte nun zu Team A. Und zwar nur, weil diese Mannschaft jetzt der Außenseiter war. Es ist ein bisschen so wie bei Rocky Balboa: Irgendwie wünscht man dem armen Kerl mit dem Hundeblick und dem blauen Auge, dass er sich wieder aufrappelt und den Fight zu seinen Gunsten herumreißt.
Und auch das macht Underdogs so attraktiv: Sie haben vielleicht nicht die Stärke, die Klasse und die Intelligenz eines Favoriten – aber sie haben Herz und Leidenschaft. Und das zieht uns alle magisch in den Bann. Geschätzte 99 Prozent der Hollywood-Epen basieren auf diesem Prinzip: Ob ›Kill Bill‹, ›Gladiator‹ oder ›Braveheart‹ – am Anfang sieht es reichlich übel aus für die Protagonisten und sie müssen mächtig Dresche einstecken. Doch deswegen aufgeben? Niemals! Sie bleiben zäh und kämpfen sich nach oben durch. Gut, in den beiden letztgenannten Filmen sterben sie dafür – aber hey: Was für ein Abgang!
Natürlich ist das nur Kino. Seifenschaum. Im echten Lebenstrengen sich Underdogs leider nicht immer so an. Und sie gewinnen auch weitaus seltener. Aber wir wünschen uns dann zumindest, es wäre so. Weil wir vielleicht irgendwann auch einmal der Außenseiter sind. Oder waren. Und weil wie bei jedem Spiel immer auch ein wenig der Wunsch nach Ausgleich und Harmonie mit von der Partie ist. Wo bliebe da sonst die Gerechtigkeit?
D ER LUZIFER-EFFEKT
Das Böse steckt in jedem von uns
1971 war der Campus der kalifornischen Eliteuniversität Stanford ein kleines, feines Studentenparadies. Siebzigerjahrecharme überall. Und von Autorität keine Spur. Die Studenten demonstrierten gegen die Bombardierung kambodschanischer Dörfer durch die amerikanischen Truppen, diskutierten über die Emanzipation der Frauen, die jungen Frauen rissen sich die BHs vom Leib und agitierten gegen die Polizei. Es hätte noch lange so weitergehen können, wenn nicht Philip Zimbardo irgendwann Flyer an der Uni verteilt hätte.
Der Psychologe suchte damals Freiwillige für ein Experiment, das Geschichte schreiben sollte (was er freilich nicht ahnte). Nicht wenige Studenten meldeten sich bei Zimbardo – auch, weil sie hofften, durch ihre Teilnahme ein paar Dollar zu verdienen. Die Siebziger brachten zwar die Befreiung von so manchem, aber auf den schnöden Mammon waren die Studenten weiterhin angewiesen. Zimbardo wählte seine Probanden gründlich aus, testete ihre Persönlichkeit, Intelligenz und emotionale Stabilität. Dann pickte er sich 24 heraus und stiefelte mit ihnen in den Keller der Universität. In einem eigens für den Versuch angemieteten Untergeschoss hatte Zimbardo seiner Phantasie freien Lauf gelassen und einen Gefängnisbau rekonstruiert –mit Einzelzellen, Gitterstäben und Gemeinschaftsduschen für die Insassen sowie Berufskleidung, Schlagstöcken und phänotypischen Sonnenbrillen für die Wärter. Der Psychologe teilte die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein – Aufseher und Gefangene. Erstere bekamen schicke Uniformen, die anderen schlichte weiße Kittel, Ketten an die Füße und einen Nylonstrumpf über den Kopf. Zimbardo spielte den Gefängnisdirektor und verzog sich hinter die Kulissen, von wo aus er das Geschehen heimlich filmte. Was dann passierte, ist so unglaublich wie beängstigend zugleich.
Bereits nach zwei Tagen begannen die Wärter aus sadistischer Freude den Schlaf der Gefangenen zu stören. Sie nahmen ihnen das Essen weg und beleidigten sie. Die Insassen blockierten
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