Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Lose.
Psychologen nennen dies den Reziprozitäts-Effekt. Zu Deutsch: Wie du mir, so ich dir. Wer uns etwas gibt, dem fühlen wir uns anschließend seltsam verpflichtet. Den Begriff der Reziprozität kannte schon Homer. Der griechische Dichter beschrieb das Leben in der Polis, dem antiken Stadtstaat, als Aufeinandertreffen
reziproker
Handlungen. Auch der römische Redner Cicero wusste: »Keine Pflicht ist unabkömmlicher als die, einer Gefälligkeit nachzukommen. Ein Nichterwidern des Verhältnisses hätte unweigerlich den Vertrauensverlust zur Folge.«
Das Problem daran ist nur: Das Prinzip lässt sich missbrauchen – wir Menschen tappen allzu leicht in die Reziprozitätsfalle. Selbst die in dieser Hinsicht eigentlich unverdächtigen Wohltätigkeitsorganisationen machen sich diesen Hebel schon mal zunutze. Die Organisation amerikanischer Kriegsversehrter hat einmal ausgerechnet, dass im Normalfall jeder fünfte Spendenaufruf Erfolg hat. Liegt dem Brief jedoch ein kleines Geschenk bei, öffnet bereits jeder Dritte Herz und Portmonnaie.
Chris Anderson, Chefredakteur des U S-Magazins ›Wired‹ und Autor des Bestsellers ›Free‹ verweist in seinem Buch beispielsweise auf den Erfolg der Musikgruppe Radiohead. Mit dem Album »In Rainbows« veröffentlichten sie ihre kommerziell erfolgreichste Platte – und das, obwohl sie das Album ausschließlich im Internet anboten, noch dazu zu einem legendären Preis: Jeder Kunde durfte selbst entscheiden, wie viel er dafür bezahlen wollte. Natürlich luden sich damals auch einige Nassauer die Songs runter, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Die Mehrheit aber überwies einen durchschnittlichen Betrag von sechs Dollar, manche gaben dafür sogar mehr als 20 Dollar aus. Am Ende wurde das Album weltweit insgesamt über drei Millionen Malverkauft. Es fällt nicht schwer, sich auszurechnen, wie viel Geld sich mit derlei »Gratis«-Angeboten verdienen lässt.
Nun ist die Sache mit der kostenlosen Probe, die uns zum Kauf von einem ganzen Paket verführen soll (siehe auch Zero-Price-Effekt) einigen schon recht bekannt. Sie ahnen, dass sie das Geschenk nur manipulieren soll, und lehnen dankend ab. Zur Reziprozitätsfalle gehört aber noch eine andere Masche, die weitaus weniger bekannt ist, aber mindestens genauso perfide wirkt: die sogenannte
Tür-ins-Gesicht-Technik
.
Wir können Sie beruhigen, es handelt sich hierbei nicht um eine brutale Überzeugungspraktik bandenmäßig organisierter Drückerkolonnen. Einer der Urheber ist vielmehr der renommierte U S-Verhaltenspsychologe Robert Cialdini. Der testete die Masche zum ersten Mal 1975 auf seinem Campus. Damals wollte er Studenten dazu bewegen, zwei Stunden mit problematischen Jugendlichen im Zoo zu verbringen – wohlgemerkt ohne Bezahlung. Dazu sprach er wahllos Studenten auf dem Unigelände an, das Echo hielt sich in überschaubaren Grenzen: Gerade einmal 17 Prozent der Befragten kamen der Bitte nach. Nun variierte Cialdini seinen Versuch. Wieder ging er auf willkürlich ausgewählte Studenten zu – allerdings bat er nun um einen viel größeren Gefallen. Er sei gerade dabei, ehrenamtliche Helfer für ein Jugendgefängnis zu rekrutieren. Ob sie nicht Lust hätten, mindestens zwei Jahre lang zwei Stunden wöchentlich dort zu arbeiten? Sie können sich denken, dass die Begeisterung hierfür noch nicht einmal ansatzweise erkennbar war.
Doch das machte nichts, im Gegenteil: Cialdini hatte fest damit gerechnet, er hatte sich die sprichwörtliche Tür ganz bewusst vor der Nase zuschlagen lassen (daher auch der Name der Technik). Denn nun konterte er mit einer Alternative: ob die Studenten dann nicht wenigstens Lust hätten, zwei Stunden mit problematischen Jugendlichen im Zoo zu verbringen? Und jetzt waren es auf einmal 51 Prozent, die sich zu dem gemeinnützigen Ausflug bereit erklärten.
Warum das so gut wie immer funktioniert? Schuld daran istwieder die Reziprozität. Wir haben ja bereits gesehen, dass wir zu Menschen tendenziell nett sind, wenn diese zuvor zu uns nett waren. Cialdini hatte im zweiten Teil des Experiments die große Bitte (ehrenamtliche Arbeit im Jugendknast) zurückgenommen und stattdessen eine vergleichsweise kleine geäußert – einen läppischen Zoobesuch. Unbewusst wollten die Studenten diese vermeintlich freundliche Geste und das Zugeständnis an sie erwidern und stimmten prompt dem Zoobesuch zu. So gesehen müssen Sie nicht einmal etwas geben, um von anderen zu bekommen, was Sie
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