Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
interpretieren ihren Gesichtsausdruck und leiten daraus ab, ob sie freundlich, verschlossen, lüstern oder gar gefährlich sind. Das kann stimmen, muss es aber nicht. Womöglich spielt uns dabei auch nur die Regie der Umstände einen fiesen, aber wirkungsvollen Streich.
D ER SCHIEFE-BAHN-EFFEKT
Warum wir unbewusst sündigen
Es ist leicht, mit dem Finger auf andere Menschen zu zeigen. Auf jene, die gefallen sind, die der Gier und Missgunst erlegen sind, jene, die sich haben schmieren oder korrumpieren lassen. Als bei dem Konzernriesen Siemens der größte Korruptionsskandal in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte aufgedeckt wurde, war der mediale Aufschrei groß. »So was macht man nicht«, lautete der Tenor, obgleich einigen der Hobby-Moralapostel sicher bewusst war, dass auch andere deutsche Unternehmen im Ausland Politiker schmieren, um an Aufträge zu kommen. Nur waren die nicht so unvorsichtig, sich dabei erwischen zu lassen.
Natürlich wollen wir damit nichts rechtfertigen. Allerdings lautet die spannende Frage dabei: Wie kommt es überhaupt dazu, dass einige von uns irgendwann Moral und Gewissen über Bord werfen und dem schnöden Mammon oder anderen Versuchungen anheimfallen? Oder noch kürzer gefragt: Wie gerät man auf die schiefe Bahn?
Eine Antwort darauf kann Francesca Gino von der Harvard Business School geben. Eigentlich untersuchte sie gemeinsammit ihrem Kollegen Max Bazerman von der Universität von North Carolina nach Ausbruch der Finanzkrise 2008, wie es dazu hatte kommen können, dass ganze Heerscharen von Wirtschaftsprüfern, Controllern und Risikomanagern von den dubiosen Finanzprodukten ihrer Banken wussten – ohne etwas dagegen zu unternehmen, oder sie, wie im Fall der Bilanzprüfer, teils sogar absegneten. Um die Pointe vorwegzunehmen: Es geschieht schleichend.
Bei einem der Experimente versetzte das Forscherduo 363 Probanden in eine ähnliche Situation wie die Buchprüfer. Sie sollten sich zehn Gläser anschauen, in denen Geldmünzen lagen, und anschließend schätzen, wie viel Geld wohl in den Behältern war. Der eigentliche Test aber kam erst danach: Nun sollten die Teilnehmer beurteilen, ob die Schätzungen der anderen einigermaßen genau waren. Mit anderen Worten: Sie stellten ihren Probandenkollegen ein Zeugnis aus. Bewerteten sie ein relativ exaktes Ergebnis, kassierten sie vier Prozent der Geldsumme im Glas, anderenfalls gingen sie leer aus. Sie merken schon: Die Versuchung war groß, den anderen ein positives Testat auszustellen, um den eigenen Gewinn zu maximieren. Dies entspricht durchaus der Wirtschaftspraxis, denn auch Wirtschaftsprüfer werden von jenen Unternehmen bezahlt, die sie bewerten sollen. Und die geben kaum Folgeaufträge, wenn man ihnen frisierte Bilanzen nachweist.
Für unsere Ausgangsfrage heißt das: Letztlich sind wir alle nicht frei von Sünde – aber wenn der Sündenfall eintritt, dann kommt er allmählich und auf leisen Sohlen daher.
DAS MONTY-HALL-DILEMMA
Warum es sich lohnt, Entscheidungen zu korrigieren
1963 strahlten die amerikanischen T V-Sender NBC und ABC erstmals ›Let’s make a deal‹ aus. Die wöchentliche Spielshow war sofort ein Knaller und wurde bald auch international in zahlreichen Varianten produziert. Regelmäßig endete die Sendung mit einem heute klassischen Quizshow-Finale: Der letzte Kandidat steht vor drei Türen – A, B und C. Hinter einer wartet ein Superpreis, sagen wir, ein nigelnagelneues Sportcabriolet. Hinter den anderen beiden wartet der
Zonk
– Nieten also. Der Kandidat soll nun eine der drei Türen wählen – und entscheidet sich für A. »Sehr gut!«, sagt der Moderator – und öffnet Tor B: »Denn diese Tür wäre falsch gewesen.« Soeben haben sich die Gewinnchancen des Finalisten enorm erhöht, denn er weiß jetzt: Der nigelnagelneue Flitzer lauert entweder hinter LukeA oder hinter Tor C. Also fragt der Moderator erneut: »Wollen Sie wechseln, oder bleiben Sie bei Tor A?«
Bevor Sie weiterlesen: Wie würden Sie entscheiden?
Blöde Frage, denken Sie jetzt vielleicht. Die Chancen stehen fifty-fifty – egal, ob er nun wechselt oder nicht. Entweder links oder rechts, A oder C. Also macht das wohl keinen Unterschied. Falsch! Mathematiker wissen es besser: Der Kandidat sollte wechseln, in diesem Fall zu Tür C. Denn damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er den Flitzer gewinnt, auf rund 67 Prozent. Dahinter verbirgt sich das sogenannte Ziegenproblem oder auch
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