Ich. Die Autobiographie
akkurat gefaltet mit messerscharfen Bügelfalten. Jemand beschrieb das mal als »einen Minikosmos überirdischer Schrankkultur, dem sogar Flüge um die Welt keine Knitterfalte anhaben können«.
Für mich ist das alles selbstverständlich, aber meine Freunde schwärmen davon. Vielleicht, weil sie mich bei Reisen gerne, um Hilfe bitten, wenn keine Bediensteten zur Verfügung stehen. Deshalb erzähle ich davon. Da bin i besser als die Hotelangestellten. Aber alles halb so schlimm. Ich spinne nun mal mit meiner Putzsucht und Ordentlichkeit bei der Garderobe, im Haus und bei mir selbst. Luchino war davon nicht so begeistert. Er kam aus so begütertem Hause, dass er sich nicht vorstellen konnte, solche Arbeiten selbst zu machen. Er zwang mich, für die kleinste Handreichung nach den Hausangestellten zu klingeln. Dieser herrschaftliche Benimm, der für ihn aufgrund seiner standesgemäßen Adelserziehung ganz selbstverständlich war, fiel mir schwer.
Schon im Krabbelalter sortierte ich pingelig meine Welt, erzählt meine Mutti. Bei meiner Putzsucht wundere ich mich, dass ich mein Gesicht morgens nicht glattbügele. Aber denken Sie jetzt nicht, dass ich das Alter fürchte. Im Gegenteil, nur Stillstand im Leben macht mir angst. Die habe ich auch vor mir selbst.
Hilfe beim Psychiater suchte ich nie, ich halte auch nichts von Psychologen. Aber ich probierte Drogen gegen meine Unsicherheiten. Wenn mir heute etwas fehlt, schreie ich, spreche mit Freunden darüber oder räume um, in meiner Wohnung oder in meinem Leben. Ich inszeniere mich eben selbst, denn meine Trickkiste beherrsche ich fast perfekt. Nach Reden, Putzen, Pflegen bleibt mir auch noch das Kochen. Dann schnipsele ich eben Gemüse für eine köstliche Minestrone. Eine natürliche Therapie, um den täglichen Stress zu überwinden – guter Ratschlag an alle nervösen Leute.
Luchino Visconti prüft die Leinenqualität der Filmhandtücher. Der Kommentar stammt von Helmut Berger.
Nurejew war animalisch, mein Körper wurde pure Geilheit
Nach meiner Hippie-Clique in London lernte ich durch Visconti eine neue, ganz andere Gesellschaft kennen. Die Hautevolee der internationalen Kunst und Unterhaltung. Operndiven wie Maria Callas. Der große Dirigent Leonard Bernstein flirtete mit mir. Mit der Primaballerina Margot Fonteyn trafen wir uns ebenso wie mit Rudolf Nurejew. Auch er konnte seinen Blick nicht von mir lassen. Wir gingen gemeinsam in die bedeutenden Theateraufführungen, besuchten die exklusivsten Restaurants.
Die berühmtesten Tanzbeine der Welt lagen mir schnell zu Füßen. Um es genau zu sagen: Sie legten sich schlangengleich um meine Schenkel. Eine ganz besondere Ballettchoreografie. Das russische Tanzgenie umschwärmte, tanzte um mich wie die Motte um das Licht. Und das vor Luchinos Augen. Nurejew machte mir klar, dass Erfolg nur mit harten Trainingseinsätzen möglich ist. Jeden Tag tanzte er stundenlang und Paare von Ballettschuhen durch. Seine Besessenheit war animalisch, er stürzte sich auf Knoblauch genauso wie auf hübsche Buben.
Seine Leidenschaft riss mich mit. Und so trieben wir es auch in zugigen Seitengassen von Paris. Einmal riss ich wild seinen Reißverschluss herunter. Dabei verletzte er seinen Schwanz, musste die nächsten Tage als Mönch zubringen. Ich konnte mich nicht halten vor Lachen.
Seine Wohnung war ein Chaos, alles reihte sich um seine Kunst: zertanzte Ballettschuhe, Berge von verschwitzten Trainingsanzügen, überall Wodkaflaschen und Hautlotions für die empfindlichen Beine. Knoblauchschwaden waberten durch sämtliche Räume. Ich habe nie wieder einen Mann wie ihn erlebt. Ein animalisches Tier mit dem glühenden Temperament eines wildgewordenen russischen Tigers aus der Taiga. Fesch, wirklich sehr fesch und immer direkt auf seine Lust bezogen. Ob er nun acht Stunden trainierte oder Liebe machte. Alles oder nichts, ohne Wenn und Aber. Mein Kaliber eben. Mir ist übrigens in meinem ganzen Künstlerleben aufgefallen, dass die Großen des Entertainments von totaler Besessenheit und einem tiefen Glauben an sich, ihre Kunst und Gott getrieben sind. An welchen Gott sie auch immer glauben.
Manchmal trafen wir uns gleich an der nächstbesten Ecke, um unsere Gefühle zu teilen. Ich war doch mit Visconti liiert.
Ich wollte nicht mit Nurejew leben, obwohl er mit seinem ganzen Charme versuchte, mich zu überzeugen. Er konnte einfach nicht soviel bieten wie Visconti: ein normales regelmäßiges Leben mit frischer
Weitere Kostenlose Bücher