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Ich. Die Autobiographie

Ich. Die Autobiographie

Titel: Ich. Die Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Berger , Holde Heuer
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»Tod in Venedig« ein: Darsteller, die niemals ihre Contenance verloren haben. Sie zeigen besonders deutlich Viscontis Einstellung gegenüber der Öffentlichkeit, dem Personal im Haus und sich selbst gegenüber. Diskretion ging über Gefühle. Das erwartete er auch von mir. Klare Richtlinien. Ich besuchte ihn in seinem Schlafzimmer, das war erwünscht, nicht er mich. Vielleicht war das mit ein Grund, dass es in den ersten Zeiten immer die Sehnsucht gab, niemals Unlust zur Lust zwischen uns. Man trank noch einen Cognac nach dem Essen, und mit großer Selbstverständlichkeit, wie wohl üblich zwischen einem glücklichen Paar, fanden wir uns auf seinem XXX-Kingsize-Bett wieder. Diese übergroßen XXX-Betten sind eine alte neapolitanische Erfindung, schön designt mit Messingrahmen. Für drei Personen erfunden – oder auch für mehr,wenn das Elternpaar und seine zwei, drei Kinder darin schlafen.
    Na klar, zwischen Luchino und mir gab es auch andere Zeiten. Später. Später wurde ich zickig. Ich war von Anfang an der weichere, vulnerable Teil unserer Beziehung. Er der aktive Mann. Er fing immer an, nicht ich. Heute lebe ich das Gegenteil. Statt abzuwarten, bin ich hemmungslos aktiv bei allen, die mir gefallen. Auch die Beziehung mit Luchino wandelte sich. Er war schon ein guter Lehrmeister, sanft in der Liebe, durchgreifend beim Filmen. Ein aktiver Mann in jeder Beziehung. Kurz vor Projekten steigerte er sich in nervöse Spannung, wie bei Hochleistungssportlern kurz vor dem Startschuss. Die Konzentration konnte erotische Pausen auslösen. Auch bei den Filmarbeiten mit mir in der Hauptrolle. Eine Bedingung von ihm war, dass die gesamten Energien von uns in die Kunst fließen konnten. Auch die sexuellen. Und die sind nicht zu unterschätzen. Er wurde zum unerbittlichen Zuchtmeister meiner Darstellungen. Kopf hoch!
    Wenn ich allein an die tagelangen Proben für meine Marlene-Dietrich-Darstellung in »Die Verdammten« denke, wird mir heute noch schlecht, obwohl die bekannte deutsche Schauspiellehrerin Annemarie Hanschke mit mir paukte, die auch Uschi Glas und Helga Lehner für die Bühne vorbereitete. Ingrid Thulin, Dirk Bogarde und die Freunde vom Set sahen meine qualvollen Proben. Immer wieder musste ich wiederholen. Nie war Luchino zufrieden. Am liebsten wäre ich geflüchtet – fuck off, Luchino –, aber meine Kollegen machten mich mit aufmunternden Blicken stark. Als alte Hasen kannten sie den hohen Preis für Bestleistungen. Und das Ergebnis konnte sich ja wirklich sehen lassen.
    Marlene Dietrich rief mich nach der Premiere in New York an. Urplötzlich, einfach so. Sie überschüttete mich mit Komplimenten. Dass ich ein wahrer Vertreter ihrer Person sei.
    Unvergesslich schön in meiner verführerischen Weiblichkeit. Ihr Auftritt mit dem Song »Ich will einen Mann, einen richtigen Mann« wäre nicht besser gewesen. Ich konnte vor Aufregung nur noch stottern, als sie mich bat, Luchino ganz herzlich von ihr zu grüßen. Mein Stolz war schier unübersehbar. Ein paar Tage später schickte sie mir ein Foto von sich mit der Frage: »Who’s prettier? Love, Marlene«.
    In den Auszeiten überließ mich Luchino meinem jugendlichen Sturm und Drang. Niemals drangsalierte er mich mit Verboten. Erst mit dieser scheinbaren Freiheit band er mich immer fester an sich. Meine Sucht nach dem ausschweifenden Nachtleben im römischen Jet-set kostete ihn nicht einmal ein Schulterzucken. Der liebende Vater, der die Welt seines Sohnes respektierte.
    Am Anfang unserer Lebensgemeinschaft züngelte meine Leidenschaft auf Sparflamme, später flippte ich orgiastisch aus. Ich wusste, dass er stark und einnehmend sein würde, ahnte lange bevor ich mich auf ihn einließ, seine feste Entschlossenheit. Ich wusste auch, dass ich mit Seitensprüngen alles riskieren würde, sollte er auch nur eine Ahnung davon haben. Treue ist für mich übrigens ein normaler Bestandteil von ernsthaften Beziehungen.
    In Paris war ich mit Luchino noch nicht fest liiert, ich besaß noch keinen Ring – ich meine das nicht symbolisch, sondern rede vom Ehering am Finger. Also nahm ich die Treue auch noch nicht so ernst. Später, als ich in ihn verliebt war und wir in Rom miteinander lebten, versuchte ich, treu zu sein. Außer bei meinen Frauenbeziehungen, die er respektierte. Auch Luchino war der Meinung, dass ich mich erst langsam an eine Männerbeziehung gewöhnen müsse.
    So habe ich ihn verstanden, und so wollte ich ihn verstehen. Ich bin ein Mensch für alle

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