Ich. Die Autobiographie
werden. Visconti liebte mich. Visconti liebte auch die Frauen. Früher. Vor mir. Lange war er liiert mit Coco Chanel. Während seiner Pariser Zeit in den dreißiger Jahren, als er in der Clique mit Jean Cocteau und Jean Renoir über Kunstprojekte philosophierte und arbeitete. Schon vor seiner Zeit mit Coco Chanel versuchte seine Familie, ihm ebenso intensiv wie vergeblich eine Prinzessin Auersperg als ideale Ehefrau einzureden. Die Wirkung von Frauen ist geradezu fantastisch in seinen Filmen: Anna Magnani, Maria Schell, Alida Valli, Annie Girardot, Jeanne Moreau, Claudia Cardinale, Romy Schneider, Charlotte Rampling.
In der Öffentlichkeit war Luchino nie zärtlich zu mir. Er hat nie meine Hand gehalten. Auch zu Hause nicht. In London hatte er eine Wohnung, tagsüber waren sein Sekretär und andere Mitarbeiter da.
Ebenfalls in Rom. Nur in Paris war das anders. Dort wohnten wir im »Barcley’s Hotel«. Ohne seine Butler, die sich sonst ständig um ihn kümmerten. Unser Liebesieben war sehr zärtlich und diskret.
In Paris, in unserer ersten gemeinsamen Nacht, ging ich aufgeregt ins Bad, um mich frisch zu machen. Im Pyjama bin ich zu ihm, zärtlich und liebevoll umarmten wir uns. Ich will und kann nicht über Sex sprechen. Es fällt mir sehr schwer. Aber ich verstehe auch, dass das einen Teil von mir und meiner Beziehung mit diesem wunderbaren Mann ausmacht. Er war herrschend, besitzergreifend, ich die Diva. Wir haben Sex gemacht, wie zwei Männer Sex machen. Außergewöhnlich an ihm war seine Verführung, ein großer Reiz für mich. Und für unsere jahrelange Anziehung. Seine Verführungskunst dauerte lange, was die Spannung steigerte, ich erlebte endlose Momente des Vorspiels, ein wirklich erotisches Feuerwerk.
Unter seinen Händen wurde mein Körper pure Geilheit, ein Püree.
Nicht nur angezogen von seiner starken Persönlichkeit machte mich Luchino als erfahrener Liebhaber süchtig nach seinen Händen. Er, der die Liebe wie seine Filme zelebrierte. Langsam verliebte ich mich in ihn, während er mir seine leidenschaftliche Zuneigung im Bett offenbarte und mit vielen Aufmerksamkeiten außerhalb unserer Luststatt. Ich wurde verwöhnt wie der für ihn in diesem Moment aufregendste Mensch der Welt. Damit eroberte er mich vollends, was jede normale Frau verstehen wird. Zwischen zwei Männern gibt es die gleiche Sinnlichkeit und Erotik wie bei heterosexuellen Paaren oder zwei Frauen. Liebe ist Liebe.
Wir haben nicht gebumst, es war Bussi, Bussi, es begann ganz langsam. Als Zeremonienmeister komponierte er verführerische Pettingmelodien, voller Zartgefühl, voller Rasanz. Schmusen, Küssen, Brustwarzen saugen, Haut verschlingen, alles bis zum mächtigen Höhepunkt. Visconti war ein außergewöhnlich zärtlicher Mensch. So zurückhaltend, sophisticated und distinguiert er in seiner Wesensart am Tage war, so feinfühlig wissend liebte er mich in der Nacht. Als typisches Sternzeichen Skorpion machte mich mein Magier mit raffiniertem Gefühl, starkem Sexappeal und viel Fantasie glücklich. Seine schönen Hände haben seinen erlesenen Geschmack verraten. Ich musste mich in ihn verlieben. Er zwang mich geradezu mit seiner Art dazu.
Ich werde bis zu meinem Tod seine Witwe bleiben. Zeitweilig eine lustige, manchmal eine betrunkene, geradezu hysterische, aber immer im tiefsten Inneren eine trauernde Witwe. Sein Charakter verneinte Gefühlsduseleien. Um so mehr zeigen seine Filme und Operninszenierungen im sinnlichen Überschwang Viscontis psychologisches Verständnis für die echten Wahrheiten des Lebens. Die Träume, Erinnerungen, Absichten, Leidenschaften, Mächte, Gewalten. Das war seine Sprache, sein ewiges Vermächtnis an uns. Tändeleien waren seine Sache nicht.
Unsere Liebesstunden liefen nach festen Regeln ab. Wir lebten ja fast nie allein. Überall begegnete einem das Personal. Ich bin danach auf mein Zimmer, habe mich umgezogen, schön gemacht zum Ausgehen, während mein Geliebter schlafen ging. Sein Tag begann schon in der Früh um sechs Uhr. Je länger wir ein Paar waren, desto mehr enttäuschte mich unser Versteckspiel, der abrupte Abschied nach Lust und Liebe. Das ging mir irgendwie immer gegen den Strich. Er versuchte mir zu erklären, warum es sich so und nicht anders gehörte.
Mit Rudolf Nurejew und Gelaine Jesmar in Paris.
Marlene Dietrich ließ mich stottern, Krupp gab die grellsten Partys
Wenn ich jetzt daran zurückdenke, fallen mir dazu die opulenten Familienszenen aus seinem
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