Ich. Die Autobiographie
etwas gegessen und Champagner getrunken. Ich konnte einfach nicht mehr.
Luchino verstand mich natürlich. Wenn ich ihn vorher nach dem Film fragte, sagte er immer nur »Va bene, va bene«. Pah, was heißt schon »Va bene«. So eindringlich ich ihn auch um seine Meinung bat, ob er gut oder schlecht sei, er antwortete nur immer »Va bene, va bene«. Ich bin auch nicht zur Premierenfeier. Ich dachte an die Inzestszene mit meiner Filmmutter Ingrid Thulin. Ich dachte an die Reaktion der Leute. Als ich nachts nach Hause kam, wartete er auf mich. Beruhigend redete er auf mich ein. Kollegen, auf deren Urteil er Wert legte, seien begeistert. Eine Woche später wurde der Film von der Zensur verboten. Die Zeitungen überschlugen sich am nächsten Tag in riesigen Skandalgeschichten: der Inzest, die Marlene-Dietrich-Szene, die Polengeschichte. Ich war über Nacht zu einem Star geworden.
Die nächsten zwei Wochen traute ich mich nicht mehr aufdie Straße. Jeder sprach mich an. Bis ich mich daran gewöhnt hatte, war es ein Alptraum. Eine Woche fuhr ich nach Ischia. Ich konnte einfach nicht mehr. Es war alles so fremd, so komisch. Luchino blieb in Rom für die Vorbereitung der weltweiten Promotiontour. Gedankt habe ich ihm erst später. Zunächst wusste ich gar nicht, was los war. Überall sprach man über diesen Film, der keinen Menschen kalt ließ. Im Fernsehen, in Zeitschriften, überall ging’s um den provokanten Martin von Essenbeck alias Helmut Berger. Furchtbar. Dabei stand ich doch erst als siebter Name auf dem Plakat, unter »Introducing« nach meinen berühmten Kollegen. Aber im Film war ich der Star.
Auf Ischia dämmerte mir langsam, was geschehen war. Dass sich ab jetzt mein ganzes Leben ändern würde. Und ich mich ändern musste. Ich konnte nicht mehr unentdeckt tun und lassen, was ich wollte. Die Karriere war toll. Aber sie hatte auch diesen Preis. Trotzdem, welch Glücksgefühl. Ich probte tagelang meine Unterschrift für Autogramme. Mit Luchinos Lancia – es kann auch sein zweisitziger Sport-BMW gewesen sein – fuhr ich wieder zurück nach Rom. Wir mussten nach Amerika, um den Film vorzustellen. Mittlerweile wurde der Film dank Luchinos politischen Beziehungen wieder in den italienischen Kinos gezeigt. Wenige Szenen waren gekürzt worden. Natürlich auch der Inzest. Und die Männerorgien beim Röhm-Putsch. Die blonden Soldaten waren Italiener. Klar, wegen der hübschen Kerle war ich ganz schön eifersüchtig. Zu Unrecht, beruhigte mich Luchino.
Filmfestspiele 1967: Im Kreise von Liz Taylor, Florinda Bolkan und Richard Burton auf der Yacht »Simona«.
Die skandalträchtige Inzestszene mit Ingrid Thulin in »Die Verdammten«.
Andy Warhols verkappte Pornomaschine, ohnmächtig nach dem ersten Kuss
Die nächsten Monate waren ausgefüllt mit Premieren, Interviews und Prominenten. Eine tolle Zeit. Mein erster Amerikaaufenthalt. Nach New York reiste der ansonsten in Amerika politisch unerwünschte Luchino mit. Im »Festival Cinema«, einem Kunstkino, fand die US-Premiere statt. Warner Brothers wollten den Film zuerst nicht am Broadway bringen. Sie hatten Angst vor den Reaktionen. Am nächsten Tag sah mich ganz New York als Marlene Dietrich. Die ganze Stadt war mit Postern tapeziert. Es war herrlich. Wir wohnten im »St. Regis« in der 56. Straße. Luchino bezog die Cecil-Beaton-Suite und ich nebenan die Dalì-Suite. Flora Mastroianni war dabei. Sie wollte uns unbedingt begleiten, auch für sie war es der erste Trip in die Vereinigten Staaten.
Unser Pressemann für die Promotion, Joe Haymes, hatte »Die Verdammten« vorab im Studio gesehen und Warner Brothers davon überzeugt, den Film in den Verleih zu nehmen. Alle anderen internationalen Verleiher waren wegen der skandalträchtigen Szenen über die Familie Krupp und deren Aufstieg im Dritten Reich ängstlich. Ganz besonders das Hollywood-Studio-System, weil die Amerikaner immerhin Krupp im Zweiten Weltkrieg finanziert hatten. Mittlerweile verfilmte Hollywood diesen Krieg nach eigenen Fantasievorstellungen, in denen immer wieder von den »bösen deutschen Schweinen!« die Rede war. Allein aus diesem Grund lehnte ich drei Filmangebote nach meinem Erfolg in »Die Verdammten« aus Amerika ab. Einziges mieses Thema der Drehbücher waren natürlich Nazisäue, die ich spielen sollte.
Die Premiere war ein riesiger Erfolg. Die Leute standen auf. Wir sind raus auf die Empore. Zu uns gewandt wurde minutenlang applaudiert. Ein paar Redner
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