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Ich. Die Autobiographie

Ich. Die Autobiographie

Titel: Ich. Die Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Berger , Holde Heuer
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in mir auch Enttäuschungen und Ängste. Es sei denn, mir begegnet Dummheit.
    Endlich war es soweit. Luchino gab mir die erste große Chance. 1968 in »Die Verdammten«. Nach einem einwöchigen Kameratest sollte ich den Sohn Martin von Essenbeck darstellen. Ich war sehr aufgeregt. Die ersten Nächte konnte ich nicht gut schlafen. Um fünf Uhr aufstehen, das war ein Graus für mich. Ich versuchte also, abends schon um zehn zur Ruhe zu kommen. Aber die ersten drei Tage sind einfach die Hölle, ich sehe aus wie eine Kaulquappe, glasig und aufgeschwemmt. Dann geht’s.
    Ein guter Regisseur dreht erst nach dieser Eingewöhnungszeit, so auch Luchino. Für die Schauspielerinnen ist es noch ärger. Die armen Frauen müssen um sechs bei der Schminke sein. Der Friseur wartet auch. Um acht beginnt der Drehtag. Luchino war sehr weise im Umgang mit seinen Künstlern. Die Frauen wurden geschont, wenn sie ihre Tage hatten. Das wirkte sich auf die Stimmung, das Aussehen und die Präsenz vor der Kamera aus. War ich doch einmal aus, drangsalierte er mich den ganzen Tag dermaßen, dass ich danach lange schön brav blieb.
    Gott sei Dank hatte ich schon einige Filmerfahrungen sammeln können. Als »The world’s most beautiful man«, wie die englischen Zeitungen geschrieben hatten, wurde ich auserkoren, 1967 die Hauptrolle in dem Film »Das Bildnis des Dorian Gray« nach einer modernen Fassung von Oscar Wildes berühmter Allegorie auf die dekadente Welt zu spielen. Die Rolle des von allen umschwärmten Playboys, der sich im Jet-set tummelt, die Macht seiner Schönheit kalt berechnend ausnützt, lag mir nahe. Die Regie führte Massimo Dellamano in London. Er hatte Fotos von mir gesehen und war so auf die Idee gekommen, mir die Rolle zu geben. Meine Partnerin war Marie Liljedahl, in die ich mich verliebte. Mich störte es überhaupt nicht, dauernd Nacktszenen zu drehen. Ich konnte mich schließlich sehen lassen. Was zählte, war einzig und allein, soviel Praxiserfahrungen wie möglich für die erste große Rolle bei Luchino zu sammeln.
    Die »Verdammten«-Premiere fand im Cinema Barberini am Ende der Via Veneto statt. Das größte Kino in Rom damals. Alle waren da. Die Thulin, sie lebt ja in Rom. Sie baut immer noch an ihrem Häuschen auf dem Land in der Nähe von Rom. Steinchen für Steinchen. Sie macht alles selbst. Konstruiert und ziegelt den Kamin. Mischt Zement mit Kalk. Sogar die elektrischen Leitungen werden von Ingrid gelegt. Ab und zu explodiert das Haus. Das ist die schwedische Mentalität. Ingrid Thulin gibt niemals auf. Ihr Haus ist eine schlechte Kopie von Hundertwasser. Glücklich, farbig, extrem. Sie liebt die italienischen Bauern. Isst, trinkt, tanzt mit ihnen. Wie Anita Ekberg. Derselbe Charakter wie die Thulin. Anita geht in den kleinen Ort, bei dem sie lebt, holt das Wasser, die Milch und das frischgebackene Brot. Mit einem einzigen riesigen Klunker an der Hand, den sie behalten hat. Ein Geschenk von Gianni Agnelli.
    Der Dirk Bogarde war da, der Helmut Griem. Mich begleitete Barbara Bouchet, ein kleiner Flirt, so, wie es Luchino gefiel. Ohne Probleme. Ich hatte sie in meiner Fluchtburg, der Pension Riviera, ein Jahr zuvor kennengelernt.
    Dorthin zog ich gelegentlich, wenn Luchino und ich gestritten hatten. Dann packte ich meine Koffer – am Anfang mindestens zwölf – und zog ins »Riviera« mit seiner hochadligen Wirtin, der Contessa Pianzola. Häuslichen Krach gab’s zum Beispiel, weil Luchino einmal mein Telefon abhörte, als ich mit Nurejew telefonierte. Er raste in mein Zimmer undschlug mich. Eine, zwei, drei, vier Ohrfeigen. Er konnte aus Eifersucht höllisch wütend werden. Dann schnitt er das Telefonkabel durch.
    Das wollte ich mir nicht gefallen lassen und zog ein paar Straßen weiter. Dort wartete ich die nächsten zehn Tage auf seinen Anruf. Er wusste, wo ich war, und meldete sich nicht. Typisch Skorpion! »Comme stai?« meldete ich mich bei ihm. Er fragte sofort, wann ich wieder nach Hause komme. Ich zurück zu ihm. Bis zum nächsten Streit. Dreimal verduftete ich im ersten Jahr. Später ließ ich eine ganze Kofferwand in der Pension. Das Ein- und Auspacken war einfach zu mühsam.
    Barbara und ich saßen während der Premiere in Rom neben Luchino. Ich war schrecklich nervös. Es war meine erste Premiere. Niemals zuvor hatte ich mich so auf der Leinwand gesehen. Nach kurzer Zeit hielt ich es nicht mehr aus und bin mit Barbara raus auf die Via Veneto gelaufen. Wir haben uns in »Harry’s Bar« gesetzt,

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