Ich. Die Autobiographie
geriet.
Den Zorn Luchinos fürchtend, den die kleinste Falte rasend machte, rührte ich mich nicht auf meinem Thron in Linderhof. Die Touristen zogen langsam hinter ihrem Führer an mir vorbei. Sie schauten mich an, als gehörte ich mit zum Schlossinventar. Sogar meine Augen zwang ich, unbeweglich zu bleiben. Mein Wille kann unerbittlich sein. Preußische Disziplin! Die Touristen waren Amerikaner, die bewundernd die herrschaftlichen Räume betrachteten. Plötzlich sah ich in meinem Blickfeld eine ältere Lady aus Amerika. Sie blickte interessiert an meiner zur Puppe erstarrten Figur hinunter. Dann zupfte sie plötzlich an meinem Ärmel, weil ihr wohl der Samt gefiel und sie die Qualität prüfen wollte. Ich konnte nicht an mir halten, rollte mit den Augen und schrie ihr »Wau« insGesicht. Die Arme, sie ist fast ohnmächtig geworden, so fahr ihr der Schreck Frankensteins ins Gemüt. Romy und ich konnten nur mühsam unsere Kleider im akkuraten Zustand halten, Lachsalven erschütterten unsere Körper.
Oh, ich liebte Romy. Sie war wie ein junges ungebändigtes Mädchen. Temperamentvoll, geistreich, albern. Ständig erzählte sie Witze, ständig war sie in Bewegung. Wir redeten entweder französisch miteinander oder wienerisch. Ich brachte ihr Schimpfwörter bei: »Geh brunsen« (mach Pipi), »g’scherte Sau« (dummes Stück), »schleich di« (hau ab) gefielen ihr besonders. Genauso liebte sie Süßigkeiten. Wir verschlangen Palatschinken, Sachertorten, Unmengen von Trüffeln und Nougat. Einmal rissen wir mit meinem goldenen Rolls-Royce aus, wir wollten von Salzburg nach Bad Ischl. Einfach so, wie zwei Kinder. Es lag Schnee, die Straßen waren glatt. Wir alberten während der Fahrt herum. Plötzlich übersah ich eine Kurve, riss noch schnell das Steuer herum. Wir landeten am nächsten Baum. Es war nichts passiert. Gott sei Dank. Aber Luchinos Schelte war fürchterlich. Noch jetzt habe ich Romys sanfte Stimme im Ohr: »Scusa mi Luca.« Sie nannte Luchino Luca.
Ganze Wagenparks bekam ich von Luchino geschenkt. Es störte mich nach kurzer Zeit, mit seinem Chauffeur unterwegs zu sein. Wenn ich um vier Uhr morgens vom Spielkasino – ich bin ein großer Black-Jack-Gambler – nach Hause komme, brauche ich keinen Chauffeur. Ich fuhr einfach gerne selber Auto. Der erste Wagen von Luchino war ein Lancia, das zweite Auto ein Mercedes Cabrio, danach fing ich selber an zu bestellen. Das ging von Masarati bis zu dem Rolls-Royce. Als Luchino erkrankte, verkaufte ich meinen in Monte Carlo und schenkte ihm einen bequemen mit vier Türen.
Auch wenn Sie sicher denken, wie glücklich Schauspieler doch sind, wie amüsant ihr Leben verläuft – davon kann keine Rede sein. Zwischendurch fällt man in ein tiefes Loch der Verzweiflung. Auch Romy und mir passierte das. Dann schworen wir uns, keinen weiteren Film zu drehen. Uns zurückzuziehen aufs Land und Familienleben zu spielen. Wir beide kamen uns dann ganz verloren vor. Wer versteht schon die Schizophrenie der Schauspieler. Sie spielen monatelang eine Rolle, als wäre sie ihr eigenes Leben, und sind sie einige Zeit zu Hause, schlüpfen sie schon wieder in die nächste Figur. Wer blickt da, bittschön, noch durch. Wissens, nach dem Durcheinander. Und dann di Leut, sie gucken, was für a Leben i führ. Die Blicke im Rücken wird man irgendwie nie los. Ich fühl mi net immer guat. I bin schon auch gehetzt. Ja, servus, das is ganz schön anstrengend. Und wenn mi dann was beengt, dann hau i ab. Das war schon immer so. So bin i eben. Bloß net Probleme zulassn. Das find i net gut. I hob einfach kane …
Im Grunde verrückt. Für mich ist die Schauspielerei eine Therapie. Gegen meine Schüchternheit. Das ging Romy ähnlich. Die meisten Schauspieler sind im Grunde ihrer Herzen scheue Menschen. Sich in anderen Rollen zu verstecken und die ständige Konfrontation mit der Kamera und dem Publikum, das trainiert ihr Selbstbewusstsein, um die eigene Schüchternheit zu überwinden und Sicherheit zu finden. Das sind richtige Geburten, diese verschiedenen Persönlichkeiten, die dargestellt werden. Deshalb plagen uns Launen, weil uns die Trennung von Film und Realität so schwer fällt. Wenn die eigene Familie oder der eigene Partner von diesen Schwankungen keine Ahnung haben, wird es gefährlich. Romy zog sich dann völlig in sich zurück. Unerreichbar auch für mich. In diesen Augenblicken habe ich ihr wieder und wieder gesagt, wie gern ich sie habe und dass ich, was immer sie braucht, möglich
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