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Ich, die Chronik

Ich, die Chronik

Titel: Ich, die Chronik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Nona verstand den Wink.
    In ihren goldenen Augen schwappte die Wut schier über. Aber bevor die Wolfsfrau zu einer rüden Erwiderung ansetzen konnte, hatte sich Landru bereits in verwandelter Gestalt in die Lüfte geschwungen und entfernte sich unaufhaltsam zu der Stelle, an der er Mayab betreten hatte.
    Als Nona sich den Vampiren und deren Gefangenen zuwandte, wurde ihr das Fehlen der meisten Kelchkinder erst richtig bewußt.
    »Wo sind eure Brüder und Schwestern?« fragte sie.
    In den Pupillen der Untoten irrlichterte es in einer Weise, die Nona endgültig klarmachte, welche Spannung zwischen Landru und seinen Kelchschöpfungen herrschte. Obwohl sie keine Antwort erhielt, obwohl die verächtlichen Blicke ihren schwelenden Zorn noch hät-ten schüren müssen, wurde ihr fast kühl ums Herz. Sie ahnte, warum ihr nur noch drei der Täuflinge von einst gegenüberstanden.
    Und Lilith?
    War es wirklich vorstellbar, daß sie .?
    »Ihr hättet fortbleiben sollen!« zischte Oriente, deren sonst sinnlicher Mund von getrocknetem Blut umkrustet war und pure Verdorbenheit ausstrahlte, an Nona adressiert. »Ihr hättet unser Reich nie betreten dürfen ... Ja, unser Reich! Ich verfluche unseren Vater und jeden, den er zu uns führte! Ihr habt das Unglück über Mayab gebracht! Diese hier ...«, sie zeigte auf den Blinden, den Landru selbst aus dem Palast gezerrt hatte, »... hätten es niemals gewagt, sich gegen uns zu erheben, hätte die alte Ordnung fortbestanden. Mit eurem Kommen kam Unruhe auf. Die Frau, die wir Mutter nennen sollten . sie kümmerte sich viel zu sehr um die, die wir doch nur brauchen, um aus ihnen zu trinken .! Wie konnte er uns zwingen, dieses Spiel mitzumachen, es zu dulden ...?«
    Nona trat einen Schritt auf Oriente zu. Von dem üppigen Jadeschmuck, mit dem sich die Vampire der Stadt gerne behängten, war nichts geblieben. Die drei kelchgetauften Frauen hatten sich selten so kraß auf ihre ureigene Natur beschränkt wie jetzt. Schöngewachsen waren sie ausnahmslos - aber attraktiv von innen heraus keine Nona wunderte sich über ihre Gedanken. Sie selbst war das, was Menschen als Monster bezeichnet hätten. Sie selbst tötete und wühlte mit ihren Zähnen in dampfendem Menschenfleisch. Und dennoch: Sie hatte Phasen, in denen sie zu menschlichen Regungen, sogar Mitleid fähig war. Darin unterschied sie sich von Ungeheuern, die dem Bösen in jeder Sekunde ihrer Existenz verpflichtet waren!
    Wesen wie Landru? fragte sie sich ernüchtert. Nein, antwortete sie sich selbst. Er ist noch einmal ganz anders wie die unseligen Kinder, die der Kelch über so lange Zeit hinweg tötete und wiedererweckte. Landru war NIE tot. Kein Hüter war dies je. Sie ruhten in einem Jahrtausend-schlaf, aber sie mußten niemals sterben, um ein neues Leben beginnen zu können. Die Alte Rasse, das sind nicht die Hüter, das sind all die, in denen der harte Puls der Kelchgeburt nachschwingt. Sie alle haben irgendwann ins Jenseits geblickt - und vielleicht kann niemand, der dies tat, der Liebe fähig sein wie sie Menschen verbindet. Oder eine Wolfsfrau und einen ... Hüter.
    Sie wußte nicht, woher gerade jetzt diese Melancholie kam.
    Vielleicht war es, weil Landru sie verletzt hatte. Weil er auch ihr Versagen vorwarf, ohne sich überhaupt angehört zu haben, warum auch sie Mayab hatte verlassen müssen - ausgerechnet zu jener Zeit, als hier das Chaos um sich griff.
    Der volle Mond ... Ihr Fluch, der sich zu einer Sucht entwickelt und hinausgetrieben hatte, weil sie den gewohnten wölfischen Drang hier drinnen nicht hatte empfinden können .
    Sinnlos, hier und jetzt darüber zu grübeln.
    Beklommen spähte Nona zu den Adobehütten, aus denen verschreckte Gesichter lugten. Gesichter, auf denen Schweiß glänzte.
    Es war heiß geworden in Mayab. Unnatürlich heiß. Der Palast glühte wie ein Ofen.
    Und in diesem Moment, völlig warnungslos, begriff Nona, was geschehen war.
    Sie erzitterte.
    Lilith war tot!
    Unglaublich . Sie schüttelte den Kopf, nahm nicht mehr wahr, was ihre Augen sahen.
    Lilith war tot ...
    *
    Wir müssen etwas tun, dachte Atitla. Wenn wir warten, bis er zurückkehrt, ist es zu spät! Ihr Blick brannte auf der hellhäutigen Frau, die dem Hohen Vater loyaler zugetan war als seine eigenen Kinder. Zu-allererst müssen wir sie beseitigen . ..
    Ein Teil ihrer Irritation, die sie zögern ließ, gründete darauf, daß sie zwar Pomonas und Tumuls Todesimpulse empfangen hatte, bis zur Stunde aber nicht wußte, wo Cuyo abgeblieben

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