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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Skulpturen versucht hatte, probierte ich es mit Töpfern. Als die Dozentin mein jüngstes Projekt bei der allgemeinen Präsentation prüfend hochhob, sah ich, wie sich ihre Armmuskeln unter dem Gewicht anspannten. Zu Weihnachten schenkte ich meiner Mutter ein Set, das sie so dankbar wie möglich annahm und erklärte, die beiden Schalen seien ideale Futternäpfe für die Katze. Von da an hatten sie ihren Platz auf dem Küchenboden, bis die Katze sich daran einen Zahn abbrach und in Hungerstreik trat.
    Vier: Ich schrieb mich an einem anderen College ein, wo die ganze erniedrigende Prozedur von vorne losging. Nachdem ich von der Lithographie zum Modellieren in Ton gewechselt hatte, schmiss ich das Studium und widmete mich zusammen mit meinem Zimmergenossen ganz unserem sogenannten »Forschungsprojekt Bong«. Ausgestattet mit einer neuen Brille, deren Uhu-Gläser meine rotgeränderten Augen wie Stecknadelköpfe aussehen ließen, schloss ich mich einer Gruppe gammelnder Filmstudenten an, die große Reden schwangen, das Geld für die Produktionskosten allerdings komplett in gummiartige Haschklötze investierten. Wir schauten uns im Kino grobkörnige Schwarzweißstreifen an, in denen trübsinnige Männer mit Rollkragenpullovern über Kieselstrände stapften und die Möwen dafür verfluchten, dass sie fliegen konnten. Dann schnitt die Kamera auf ein Feld mit zerzausten Krähen, danach auf eine Frau mit einem Gesicht voller Sommersprossen, die in einem Sonnenstrahl saß und ihre Fingerknöchel betrachtete. Nur mit Mühe gelang es mir, bis zum Ende des Films wach zu bleiben und hinter den übrigen melancholischen Besuchern, deren Ähnlichkeit mit den bleichen Trauerklößen auf der Leinwand frappant war, wieder aus dem Kino zu trotten. Da wahre Kunst aus Verzweiflung geboren wurde, musste man alles daransetzen, sich selbst und seiner Umwelt das Leben zu vermiesen. Ich konnte vielleicht nicht malen oder bildhauern, aber Trübsal blasen konnte ich wie kein zweiter. Bedauerlicherweise bot die Hochschule keine offiziellen Miesmacher-Kurse an, so dass ich verzweifelter denn je die Segel strich.
    F ünf Als ich zurück nach Raleigh kam, hatte meine Schwester Gretchen gerade an der Rhode Island School of Design angefangen. Ich verbrachte ein paar Monate im Keller meiner Eltern und bezog dann ein Apartment in der Nähe der Uni, wo ich kristallines Methylamphetamin und die Konzeptkunst entdeckte. Beides ist für sich genommen schon gefährlich genug, entwickelt aber in seinem Zusammenwirken ein Potential, das in der Lage ist, ganze Zivilisationen zu zerstören. In dem Moment, da ich mir meine erste brennende Nase reinpfiff, wusste ich, dass ich meine Droge gefunden hatte. Speed fegt alle Zweifel hinweg. Bin ich helle genug? Komme ich bei den Leuten an? Seh ich scharf aus in diesem Kunstfaser-Overall? Das sind Fragen für verunsicherte Kiffer. Ein Speed-Freak weiß, dass alles, was er sagt oder tut, genial ist. Und dadurch, dass das Bedürfnis nach Essen und Schlaf komplett ausgeschaltet ist, kann er seinen Charme und sein Talent volle vierundzwanzig Stunden am Tag versprühen.
    »Großer Gott«, stöhnte mein Vater. »Es ist zwei Uhr früh. Warum rufst du mitten in der Nacht an?«
    Ich rief an, weil alle meine Freunde ihre Telefone nach zehn Uhr abends ausstöpselten. Ich war mit ihnen auf der High School gewesen, musste nun aber enttäuscht feststellen, wie wenig uns noch miteinander verband. Sie schwafelten immer noch von Bleistift- und Tuscheporträts und zeigten wenig Verständnis für meinen Wunsch, eine schwere Registrierkasse durch den Wald zu schleifen. Ich hatte das zwar nicht wirklich gemacht, aber die Idee schien mir verlockend. Diese Leute waren alle in der Vergangenheit steckengeblieben und hielten sich für erfolgreich, wenn sie mit ihrem Verkaufsstand auf einem Kleinkunstmarkt einen Siebdruck von einer Fußspur im Sand verkauft hatten. Es war schon irgendwie traurig. Da rackerten sie sich ab, um Kunst zu schaffen, während ich, ohne auch nur einen Finger zu krümmen, Kunst lebte. Meine zusammengerollten Socken auf dem Hartholzboden hatten mehr Aussagekraft als ihre billige Effekthascherei im penibel mattierten Rahmen und mit dem fett geschwungenen Namenszug unten links. Lasen die eigentlich keine Zeitschriften? Die neue Künstlergeneration wollte mit den ästhetischen Idealen meiner Schwester nichts mehr zu schaffen haben. Hier waren Leute, die ihr Geld damit verdienten, dass sie Zelte aufbauten oder sich in fötaler

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