Ich ein Tag sprechen huebsch
Nest - alle diese Dinge machten ihn suspekt. Sein Angebot, uns unsere Rollen selbst entwickeln zu lassen, brachte uns nur noch mehr gegen ihn auf. Für wen hielt er sich eigentlich, uns Vorschriften zu machen und bestimmte Fristen zu setzen? Wir waren vielleicht nicht in der Lage, für uns selbst zu denken, aber noch mehr hassten wir es, das zuzugeben. Die Folge war ein ausuferndes Wortgefecht, in dem wir uns sämtliche uns bekannten Vergleiche an den Kopf warfen und anschließend wieder von vorn anfingen. »Wir sind nicht deine Kasperlepuppen oder dressierten Hündchen, die ganz wild darauf sind, für dich durch den Reifen zu springen. Glaubst du vielleicht, wir wären deine Kasperlepuppen? Sehen wir etwa aus wie Kasperlepuppen? Wir sind weder Kasperlepuppen noch Hündchen, und wir werden ganz bestimmt durch keinen Reifen mehr springen, Herr Puppenspieler. O ja, ein Hündchen lässt sich dressieren. Und einer Kasperlepuppe muss man nur die Hand hinten reinschieben, und sie macht, was man will, aber nicht mit uns, Monsieur Le Dompteur. Wir haben genug von deinen Kunststücken, also such dir jemand anderen. « Ich hatte gehofft, die Gruppe würde nie auseinandergehen, doch keine zehn Minuten später war alles vorbei, schluss aus, und jeder schwor, nur noch seine eigenen Arbeiten aufzuführen. In den folgenden Wochen ließ ich mir unseren Streit wieder und wieder durch den Kopf gehen, wobei ich mir vorstellte, wie ein kleines Hündchen eine Kasperlepuppe kreuz und quer durch ein leerstehendes Lagerhaus jagte. Wie konnte ich nur so blöd sein und die einzige Chance meines Lebens versieben? Ich war zu Hause und gerade dabei, meinem Stielbesen kleine Zöpfe zu flechten, als das Museum anrief, um mich zur Teilnahme am neuen PerformanceFestival »Monat der Sonntage« aufzufordern. Zuerst hielt ich es für klüger, mich länger umwerben zu lassen, aber nach einem Moment quälender Stille willigte ich unter Hinweis auf »politische Gründe« ein. Ich brauchte das Geld für Drogen.
Neun: Beim Besuch der Performances meiner früheren Kollegen begriff ich, dass wenn man erst einmal die entsprechenden Requisiten beisammen hatte, das Stück sich mehr oder weniger von selbst entwickelte. Der aufblasbare Gummihai führte wie selbstverständlich zu der Pfütze mit steifer Sahne, mit der sich problemlos zwanzig Minuten wertvoller Bühnenzeit herausschinden ließen, wenn man sie langsam, aber stetig vom Boden aufschleckte. Wichtig war nur, die ganze Zeit über einen Ausdruck starren Entsetzens zu zeigen und mit den unmöglichsten Gegenständen zu hantieren. Die Aufgabe des Künstlers war es, die geeigneten Objekte zu finden, über deren Bedeutung das Publikum zu entscheiden hatte. Ging das Stück in die Hose, hatte das Publikum versagt, nicht der Künstler.
Die Suche nach geeigneten Requisiten führte mich in einen Second-Hand-Laden. Mit beiden Armen voller Äffchen aus ausgestopften Socken stand ich an der Ladentheke und erklärte der Frau an der Kasse:
»Die sind für ein Stück, an dem ich gerade arbeite, eine vom Kunstmuseum in Auftrag gegebene Performance. Ich bin Künstler. «
»Ach ja?« Die Frau drückte ihre Zigarette in einem Sandeimer aus. »Meine Nichte ist auch Künstlerin! Sie hat diese Socken-Äffchen gemacht. «
»Schön«, sagte ich. »Aber ich bin ein richtiger Künstler. «
Die Frau war nicht beleidigt, sondern bloß verwirrt. »Aber meine Nichte lebt drüben in Winston-Salem. « Sie sagte das so, als ob in Winston-Salem zu wohnen jeden automatisch zum Künstler machte. »Sie ist ein großes blondes Mädchen und hat fast erwachsene Zwillinge. Sie heißt überall nur die Socken-Lady, weil sie ständig diese Äffchen macht. Ein hübsches Ding, kräftig gebaut, aber mit jeder Menge künstlerischem Talent. «
Ich blickte in das Gesicht der Frau, deren flaumbesetzte Wangen wie Satteltaschen herabhingen, und stellte mir vor, wie sie sich nackt in einer Pfütze Tomatensaft räkelte. Hätte sie hinreichend Verstand, würde sie sich mir als lebende Requisite zur Verfügung stellen. Was Besseres als ich konnte ihr gar nicht passieren, aber vermutlich war sie viel zu beschränkt, um ein solches Angebot richtig zu würdigen. Vielleicht würde ich eines Tages ein Stück über die geistige Armut schreiben, doch im Augenblick wollte ich nur die Socken-Äffchen bezahlen, ein paar Linien Speed schnupfen und meine kugelsichere Weste aus gebrauchten Taschenlampenbatterien fertigbauen.
Zehn: Zur Performance im Museum erschien
Weitere Kostenlose Bücher