Ich ein Tag sprechen huebsch
ihren Treueschwur und knurrten, wenn äußere Mächte sie bedrohten.
» Wo soll ich hinreisen?« Wurde er von einem seiner Kinder eingeladen, wiegelte mein Vater gleich ab: »Aber ich kann unmöglich weg. Wer soll denn auf Melina aufpassen?« Der Hinweis auf eine Hundepension brachte ihn nur zum Lachen. »Du hast wohl den Verstand verloren. Eine Hundepension! Hey, hast du gehört, Melina? Die wollen, dass ich dich einsperre.«
Aufgrund ihrer Körpergröße werden dänische Doggen für gewöhnlich nicht besonders alt. Gewisse Käsesorten reifen länger im Regal. Mit grauem Bart und tattrigen Beinen war die zwölfjährige Melina ein Wunder der Wissenschaft. Mein Vater massierte ihre arthritischen Gelenke, trug sie die Treppen hoch und hob sie ins Bett. Er behandelte sie so, wie Männer in Filmen ihre kranken Frauen behandeln, nicht anders, als er auch meine Mutter behandelt hätte, wenn sie sich je eine so nackte Zurschaustellung von Hilflosigkeit und Gebrechlichkeit erlaubt hätte. Melinas Ära umspannte die letzten zwölf Jahre seiner Ehe. Die Hündin war im letzten Familienkombi mitgefahren, war auf der Pensionierungsfeier meines Vaters dabei gewesen und hatte die Wahl zweier republikanischer Präsidenten miterlebt. Sie wurde immer schwächlicher und verlor ihren Appetit, aber entgegen allen Ratschlägen konnte mein Vater einfach nicht loslassen.
Die asiatischen Jugendlichen flehten ihn an, ihr Leben zu beenden.
»Ich kann nicht«, sagte er. »Es bricht mir das Herz. «
»Aber du musst es tun«, sagte Komatsu. »Es ist Pflicht. «
Einen Monat, nachdem Melina eingeschläfert worden war, fuhr mein Vater zum Hundezüchter und kam mit einer jungen dänischen Dogge wieder. Sie ist eine Hündin wie Melina, hat graue Flecken wie Melina, aber sie heißt Sophie. Mein Vater gibt sich alle Mühe, sie zu lieben, gesteht allerdings unumwunden zu, womöglich einen Fehler gemacht zu haben. Sie ist ein prächtiges Tier, aber die zwei sind ein komisches Paar.
Wenn er Sophie in der Nachbarschaft ausführt, fühlt mein Vater sich wie ein frisch verheirateter alter Knochen, der seiner launischen jungen Frau hinterher stolpert. Ihr jugendliches Ungestüm ist ihm genauso peinlich wie ihr unverhohlenes Interesse für junge Männer. Autofahrer halten am Straßenrand an, lassen die Scheibe runter und fragen: »Hey, führen Sie den Hund aus oder umgekehrt?« Der Spruch weckt Erinnerungen an glücklichere Tage, an einen sanfteren Zug an der ausgegerbten Leine. Wiederum ist ihm die Aufmerksamkeit der Leute gewiss, doch hebt er jetzt als Antwort bloß noch stumm die Schaufel und geht weiter.
Die Lernkurve
Ein Jahr nach meinem Abschluss an der School of the Art Institute of Chicago wurde mir aufgrund eines schrecklichen Missverständnisses eine Dozentenstelle für Kreatives Schreiben angeboten. Ich hatte nie eine Uni besucht, und abgesehen von ein paar Geschichten, die in kopierter und gehefteter Form kursierten, nie im eigentlichen Sinne etwas veröffentlicht.
Wie das Brandmarken von Ochsen oder das Einbalsamieren von Toten hatte ich den Lehrberuf nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Ich war für den Job gänzlich ungeeignet, sagte aber auf der Stelle zu, da er mir gestatten würde, eine Krawatte zu tragen und als Mr. Sedaris aufzutreten. Da mein Vater den gleichen Namen trug, gefiel mir die Vorstellung, mit ihm verwechselt zu werden, auch wenn er tausend Meilen entfernt lebte. »Moment mal«, würde irgendwer sagen, »meinen Sie jetzt den pensionierten Mr. Sedaris aus North Carolina oder den bekannten Akademiker Mr. Sedaris?«
Die Stelle wurde mir auf den letzten Drücker angeboten, nachdem der ursprünglich vorgesehene Bewerber einen lukrativeren Job als Pizzafahrer aufgetan hatte. Ich hatte zwei Wochen Zeit zur Vorbereitung, die ich damit verbrachte, mir eine Aktentasche zuzulegen und vor einem großen Spiegel die Worte zu wiederholen: »Guten Morgen zusammen. Ich bin Mr. Sedaris.« Manchmal gab ich meiner Stimme einen aggressiven Unterton und ein festes, athletisches Timbre. Hier stand der maskuline Mr. Sedaris, der welterfahren über Fleischwunden und Traktorwettziehen schrieb. Daneben beherrschte ich das raue Bellen des Zeitungsverlegers, einen Tonfall, der Weisheit mit einer schier grenzenlosen Unerschütterlichkeit verband. Ich versuchte, geschäftsmäßig und abgeklärt zu klingen, doch als der große Tag da war, machten meine Nerven schlapp, und der tatsächliche Mr. Sedaris kam zum Vorschein. Mit einer Stimme, aus der
Weitere Kostenlose Bücher