Ich ein Tag sprechen huebsch
abgeknabbert und unsere Betten von einem Film dünner, kurzer Haare überzogen. Der entsetzte Aufschrei, mit dem man den zerfetzten Lederkadaver am Fuß der Treppe registrierte, entlockte meinen Eltern nur brüllendes Gelächter. »Das ist die Strafe dafür, wenn man sein Portemonnaie auf dem Tisch liegenlässt. « Die Hündin war ihr erstes gemeinsames Hobby, dem sie sich mit gleicher Hingabe verschrieben, jeder auf seine Weise. Die Liebe meiner Mutter tendierte zur Horizontalen, da sie in einem Haustier vor allem einen Schlummergefährten sah, ein Wesen, dem man in die Augen schaute und sagte: »Gar keine schlechte Idee, rutsch zur Seite, meine Gute, ich leg mich daneben. « Ein Fremder, der durchs Fenster schaute, hätte glauben können, Zeuge eines gemeinsamen Suizids zu sein. Beide lagen ausgestreckt wie Leichname da, die Gliedmaßen in ewiger Umarmung umschlungen. »Mein Gott, hat das gutgetan«, sagte meine Mutter, wenn beide vorübergehend aus ihrem Schlummer erwachten. »Und jetzt räkeln wir uns noch ein wenig auf dem Wohnzimmerteppich. «
Mein Vater liebte die Dogge vor allem wegen ihrer Größe. Er unternahm stundenlange Spritztouren mit ihr, bei denen sie ihren mächtigen, ambossartigen Schädel aus dem Wagenfenster hielt und große Mengen schaumigen Speichels absonderte. Die Fahrer anderer Wagen zeigten ungläubig auf das Tier, kurbelten ihr Fenster herunter und brüllten: »Hey, haben Sie 'n Sattel für das Vieh?« Waren die zwei zu Fuß unterwegs, kam unweigerlich die Frage: »Führen Sie den Hund aus oder umgekehrt?«
»Ha-ha!« lachte mein Vater jedes Mal, als hätte er den Witz noch nie gehört. Er genoss das viele Aufsehen und schwelgte in dem Stolz, wer zu sein, wie er es bei keinem von uns Kindern getan hatte. Es war gerade so, als sei die Schönheit und Statur der Hündin sein Verdienst, als habe er höchstpersönlich das Fleckenmuster ihres Fells entworfen und sie auf Pony-Größe hochgepäppelt. Wenn er mit dem Hund spazieren ging, hielt er die Leine in der einen und einen Spaten in der anderen Hand. »Nur für den Fall«, sagte er.
»Für welchen Fall? Dass sie unterwegs einen Herzinfarkt kriegt und du sie begraben musst?« Ich kam da nicht ganz mit.
»Nein«, sagte er. »Ich brauche den Spaten für ihr, na, du weißt schon... Geschäft. «
Mein Vater war pensioniert, aber der Hund machte Geschäfte.
Ich lebte in Chicago, als Melina ins Haus kam, und jedes Mal, wenn ich meine Eltern besuchte, war das Tier noch gewachsen. Jedes Mal klebten auch neue Marmaduke-Cartoons auf dem Kühlschrank, und jedes Mal fragte ich eindringlicher: »Habt ihr sie eigentlich noch alle?«
»Sitz, Melina«, sagten meine Eltern vergnügt, wenn die Hündin aufsprang und hechelnd vor mir stand. Ihre gepolsterten Riesenpfoten kamen zuerst auf meinen Hüften zu liegen, wanderten dann weiter über Brust und Schultern, bis sie ihre Vorderläufe zuletzt um meinen Nacken schlang und ihr Kopf über dem meinen schwebte, wie eine Partnerin in der Tanzschule, die Ausschau nach einer geeigneteren Partie hielt.
»Sie möchte dir nur guten Tag sagen«, zwitscherte meine Mutter, um mir gleich darauf ein Handtuch hinzuhalten, damit ich mir den schaumigen Sabber abwischen konnte. »Moment, du hast da noch was am Hinterkopf. «
Für uns Kinder war Melinas Abrichtungsurkunde von der Hundeschule der größte Witz seit dem Abgangszeugnis meines Bruders an der Sanderson High.
»Gut, sie ist nicht sehr helle«, sagte meine Mutter. »Na und? Ich kann meine verdammte Zeitung auch selbst holen. «
Das Wachstum des Tieres wurde täglich gemessen und jede kleinste Veränderung auf Film festgehalten. Von meiner Schwester Tiffany existierte gerade einmal eine Handvoll Bilder, während Melinas gesammelte Liebschaften ganze Fotoalben füllten.
»Schlag mich«, forderte meine Mutter mich bei einem Besuch in Chicago auf. »Nein, warte, ich muss erst die Kamera holen. « Sie flitzte aus dem Raum und war in Windeseile zurück. »Okay, jetzt schlag mich. Oder besser noch, tu einfach so, als würdest du zuschlagen. «
Ich hatte kaum die Hand in der Luft, als meine Mutter laut aufschrie. »Aua«, jaulte sie. »Hilfe! Der fremde Mann schlägt mich, dabei habe ich gar nichts getan. «
Ich sah noch von links einen dunklen Schatten auf mich zufliegen, bevor ich schon auf dem Boden lag und die Hündin beachtliche Löcher in den Halsausschnitt meines Pullovers riss.
Im nächsten Moment blitzte die Kamera, und meine Mutter quiekte entzückt.
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