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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Fahnenstange hochzuklettern. An der dunklen Silhouette, die sich gegen den Abendhimmel abzeichnete, sah man, wie er sich ein kurzes Stück hochwuchtete und dann zitternd und schnaubend den Mast umklammerte. »Ich schaff es nicht«, rief er. »Das ist zu schwer für mich. «
    Sein Freund, ein drahtiger, ernster Bursche namens Komatsu, sah ihm von unten zu und feuerte ihn an. »Natürlich schaffst du es. Du musst. Es ist Pflicht. «
    Ich empfand eine unsagbare Trauer bei der plötzlichen Erinnerung an diese Szene, die ich seit vielen Jahren vergessen hatte. Die beiden Jungen stammten aus dem Film Fatty and Skinny, einer japanischen Serie, die regelmäßig im CBS-Kinderfilm-Festival lief, einer wöchentlichen Sendung, die von zwei Handpuppen und einer ausgesprochen gutmütigen Frau moderiert wurde, die immer so tat, als müsse sie über die Witze ihrer Co-Moderatoren lachen. Die Sendung stand für mich und meine Schwestern jeden Samstagnachmittag fest auf dem Programm, einschließlich der diversen Zwangsunterbrechungen durch unseren furzenden Collie.
    Nachdem er es noch ein kleines Stück weiter die Stange empor geschafft hatte, verlor Fatty den Halt und plumpste in den Sand. Während er sich noch abklopfte, rannte Skinny bereits den Hügel hinunter auf seine zerbrechliche Papphütte zu, die er mit seiner Familie bewohnte. Es war Fattys letzte Chance gewesen, sich zu beweisen. Er hatte immer geglaubt, die Geduld seines Freundes sei unendlich, aber jetzt wusste er, dass er unrecht hatte. »Komat-suuuuuuuuuu!« brüllte er. »Komatsu, bitte gib mir noch eine Chance. «
    Die Stimme des Arztes holte mich vom Spielplatz in Japan zurück in die Gegenwart. »Wie gesagt, Euthanasie«, sagte er, »haben Sie schon mal drüber nachgedacht?«
    »Ja«, erwiderte ich, »habe ich.«
    Zuletzt fuhr ich zurück in die Tierklinik und ließ sie einschläfern. Nachdem der Arzt das Pentobarbitalnatrium gespritzt hatte, klimperte Neil mit den Augen, nahm ihre Schlafhaltung ein und starb. Mein damaliger Freund kümmert sich um alles weitere, während ich auf dem Parkplatz neben seinem abgeschlossenen Wagen stand und hemmungslos flennte.
    Der Gedanke, dass Neil guten Glaubens in den Wagen gestiegen war, lebendig nach Hause zurückzukehren, zerriss mir das Herz. Endlich war jemand so gutmütig gewesen, mir zu vertrauen, und ich hatte ihn dafür in den Tod geschickt. Von Schuld gepeinigt, saßen die asiatischen Jugendlichen an ihren Pulten und weinten bitterlich.
    Eine Woche später wurde mir Neils Asche in einer waldgrünen Dose zugeschickt. Da sie nie größeres Interesse an der freien Natur bekundet hatte, verstreute ich ihre Überreste auf dem Teppich und ging anschließend mit dem Staubsauger drüber. Der Tod der Katze erschien mir wie das Ende einer Ära. Natürlich war es das Ende ihrer Ära, aber der Tod eines geliebten Haustiers weckt auch in einem selbst den drängenden Wunsch, zehn oder zwanzig Jahre seines Lebens mit schwarzem Krepp zu umhüllen. Für mich bedeutete es das Ende meiner behüteten College-Tage, der Abschied von der 75 cm-Taille und das Auseinanderbrechen meiner ersten richtigen Beziehung mit einem Freund. Ich weinte über alles zusammen und fragte mich, warum es so wenig Songs über Katzen gab.
    Meine Mutter schickte einen Kondolenzbrief mit beigefügtem Scheck für die Kosten der Einäscherung. Oben links, auf die Betr. -Linie, hatte sie geschrieben: »Haustierverbrennung«. Ich hatte es nicht anders verdient.
    Als meine Mutter starb und ihrerseits eingeäschert wurde, machten wir uns Sorgen, unser Vater könne aus purer Gewohnheit losziehen und für raschen Ersatz sorgen. Auf der Heimfahrt nach der Beerdigung waren mein Bruder, meine Schwestern und ich schon halb darauf gefasst, eine flüchtig bekannte Sharon zwei an der Küchentheke vorzufinden, darin vertieft, das Kreuzworträtsel aus der Fernsehzeitung zu lösen. »Sharon eins hätte fünf waagerecht locker aus dem Ärmel geschüttelt«, würde unser Vater maulen. »Komm schon, Kleines, streng dich an. «
    Jetzt, da unsere Mutter fort war, hatten mein Vater und Melina einander ganz für sich. Obwohl sie im Bett ihrer früheren Herrin schlief, wusste die Hündin genau, dass sie niemals ein vollwertiger Ersatz sein konnte. Ihre Liebe war zu ungestüm und primitiv, und sie hatte auch kein Talent zum Streiten. Dennoch gaben sie und mein Vater einander das Versprechen, sich gegenseitig zu ehren und zu beschützen. Sie feierten ihre Jahrestage, erneuerten regelmäßig

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