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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Gesichter in das Leuchten des Bildschirms getaucht, ein zweites Mal in die Zukunft blickten.

Deux
Na dann bis gestern
    Ich habe nie zu den Amerikanern gehört, die ihre Unterhaltung mit französischen Redewendungen würzen und Gäste mit Brie-Rädern bewirten. Für mich war Frankreich nie ein Traumland. Ich bin auf die gleiche Art in der Normandie gelandet, wie meine Mutter in North Carolina gelandet ist. Man trifft einen Typen, lasst die Zügel ein bisschen locker, und ehe man sich's versieht, hat man ein ganz anderes Stück vom Schwein auf seinem Teller.
    Ich lernte Hugh durch eine gemeinsame Freundin kennen. Sie und ich wollten eine Wohnung streichen und uns dazu von ihm eine Drei-Meter-Leiter ausleihen. In New York eine Drei-Meter-Leiter zu besitzen, gilt als sicheres Zeichen von Erfolg, weil davon auszugehen ist, dass man über genug Platz verfügt, sie irgendwo aufzustellen. Hugh wohnte damals in einem Loft in der Canal Street, in einer ehemaligen Schokoladenfabrik, deren begehbare Kühltanks zu Schlafzimmern umfunktioniert worden waren. Als ich an einem Freitagabend vor seiner Tür stand, roch ich gleich den Kuchen im Backofen. Während der Rest von Manhattan sich ins Nachtleben stürzte, hatte er Äpfel geschält und Country-Musik gehört. Hugh war wie ich Single, was nicht weiter verwundert bei einem, der in seiner Freizeit Teig ausrollte und zu George-Jones-Platten Tränen vergoss. Ich war gerade nach New York gezogen und fragte mich, ob ich den Rest meines Lebens solo sein würde. Ein Teil des Problems bestand darin, dass ich nach Auskunft verschiedener verlässlicher Quellen dazu neigte, meine Mitmenschen zu erschöpfen. Ein anderer Teil des Problems hatte mit meiner langen Liste unabdingbarer Voraussetzungen zu tun. Potentielle Partner durften nicht Raucher der Marke Ment sein, Cowboy-Stiefel tragen oder besitzen oder irgendetwas essen, das die Bezeichnung lite oder du darfst trug. Auch die Sprache war wichtig, da Sätze wie: »Ich kann meinen Brustwarzenring nicht finden«, oder: »Und das hier war mein erstes Tattoo« zur umgehenden Disqualifizierung führten. Straßen waren bei ihrem vollständigen Namen zu nennen, also nicht »Ecke Neunundfünfzigste und Lex« und schon gar nicht »Mad Ave«. Sie durften nicht mehr Alkohol vertragen als ich, durften keine Gedichte in Notizbücher kritzeln und sie laut vor fremden Leuten rezitieren und ebenfalls nicht die Wörter Illu, Alk, Cyberspace, progressiv und Zeitgeist benutzen. Sie durften die menschliche Kopfhaut nicht als taugliches Medium zur Selbstdarstellung betrachten, keine regenbogenfarbene Fahne besitzen und nicht behaupten, sie hätten ein erst kürzlich ins Telefonbuch aufgenommenes Geschäft oder Lokal »entdeckt«. Alter, Herkunft und Gewicht waren unbedeutend. Und was gemeinsame Interessen anging, stellte ich mir vor, dass wir den Rest unserer Tage mit der Diskussion darüber verbringen könnten, wie sehr wir die oben angeführten Eigenschaften hassten.
    Vor New York hatte Hugh sechs Jahre in Frankreich gelebt. Ich fragte dies und das, intuitiv spürend, dass man ihn zu längeren Ausführungen drängen musste. Er sagte etwas von einem Haus in der Normandie, nur um sofort einschränkend hinzuzufügen: »Eigentlich ist es mehr eine Bruchbude.« Wahrscheinlich kam danach noch eine genauere Beschreibung des Gebäudes, aber zu dem Zeitpunkt hörte ich nur noch mit einem Ohr hin. In Gedanken war ich damit beschäftigt, mir mein Leben in einem fremden, weit entfernten Land vorzustellen, wo ich, wenn etwas danebenging, die Schuld stets anderen zuschieben und sagen konnte, ich hätte von vornherein nicht dort hingewollt. Die ersten ein, zwei Jahre wären nicht ganz leicht, aber ich würde es durchstehen, da das Leben in einem fremden Land zu den wenigen Dingen gehört, die jeder zumindest einmal im Leben ausprobiert haben sollte. In meiner Vorstellung vervollkommnete es die eigene Person, indem die provinziellen Ecken abgeschliffen wurden und man zum Weltbürger geadelt wurde.
    Ich sah darin keine romantische Idee. Es hatte nichts mit Frankreich selbst zu tun, mit dem Tragen von Hüten und dem Schreiben gequälter Briefe in Straßencafes. Mir konnte es egal sein, wo Hemingway gesoffen oder Alice B. Toklas sich ihren Schnäuzer hatte stutzen lassen. Was ich am Leben im Ausland so anziehend fand, war das unausweichliche Gefühl der Hilflosigkeit, das damit verbunden war. Nicht weniger aufregend wären die Anstrengungen, diese Hilflosigkeit zu überwinden.

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