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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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meinst den Dorftrottel. «
    In dieser Lage half auch der Auftritt als Seifenopern-Schauspieler nicht weiter. Wenn ich laut deklamierte: »Sie werden mich noch verstehen«, stierten meine Nachbarn mich nur verständnislos an. Ich schnappte ein paar französische Brocken auf, aber im Großen und Ganzen schien die Lage aussichtslos. Wenn Hugh gerade unterwegs zum Eisenwarenhandel war, standen plötzlich Nachbarn in der Tür, und ich brach mir einen ab, um sie mit einer lachhaften Anzahl einfacher Nomen zu unterhalten. »Aschenbecher?«
    »Ja«, erwiderten sie zustimmend. »Da steht ein Aschenbecher. «
    »Hammer? Schraubenzieher?« »Nein danke, wir haben beides im Haus. « Ich hoffte, die Sprache würde sich ganz von selbst einstellen, wie bei Kleinkindern, aber die Leute reden nun einmal mit Ausländern nicht so wie mit Kleinkindern. Sie hypnotisieren einen nicht mit grellbunten Gegenständen und wiederholen dabei immer wieder dasselbe Wort, um einen, wenn man dann endlich »Pipi« oder »Wa-Wa« sagt, wie verrückt zu knuffen. Ich gelangte sogar an den Punkt, wo sich meine Fäuste instinktiv zusammenballten, wenn ich beim Bäcker oder Lebensmittelhändler einen Säugling sah, aus Eifersucht darüber, wie kinderleicht er es hatte. Ich wollte auch in einer französischen Wiege liegen und ganz von vorn anfangen, die Sprache von Grund auf erlernen. Ich wollte ein Kleinkind sein anstatt ein Erwachsener, der wie eins redete, ein monströses Riesenbaby, das die Geduld anderer Leute über Gebühr strapazierte.
    Bevor ich mich jedoch geschlagen gab, beschloss ich, meine Prioritäten neu zu setzen. Der Erwerb der Sprache, so sagte ich mir, hatte mich nie ernstlich beschäftigt. Mein Hauptanliegen war die Fertigstellung des Hauses. Die Verben würden sich schon beizeiten einstellen, doch zunächst brauchte ich vor allem ein wohnliches Zuhause. Unsere Urlaubsfotos sahen nachher so aus, als wären sie in einem Zwangsarbeitslager aufgenommen. Ich riss Wände ein und schleppte schwere Balken, verlegte Leitungsrohre und Stromkabel und zeigte mich auf der Baustelle wie in der Apotheke nur noch hinter einer Staubmaske. Für einen Monat Schwerstarbeit wurde ich mit vier Tagen Paris belohnt, einer Stadt, in der man problemlos ein zweihundert Jahre altes Wachsmodell einer Vagina einschließlich original menschlicher Schambehaarung finden kann. Im Flugzeug nach Hause bekam ich ein Zollformular in die Hand gedrückt, auf dem ich meine sämtlichen Erwerbungen auflisten sollte:
    Ein zweik öpfiger Kalbsschädel
    Ein Aschenbecher in der Form eines ma ßstabgetreu vergrößerten Backenzahns
    Ein menschlicher Gallenstein, beschriftet und auf einem eleganten Sockel ausgestellt
    Ein achtteiliges Set Limoger Dessertschalen, speziell f ür eine Apotheke angefertigt und von Hand mit den Namen verschiedener tödlicher Arzneimittel beschriftet
    Ein ledriger F ötus, komplett mit Nabelschnur
    Eine franz ösische Augenarzttafel, auf der zufällig das Wort DICK erscheint
    Illustrierte Anleitungen zur Hautentfernung bei Ausschlag und Kriegsverletzungen
    Noch ehe ich zur Aufzählung meiner veralteten chirurgischen Instrumente kam, ging mir der Platz aus. Hugh erklärte mir, ich vergeude meine Zeit, da sie es mehr auf Leute abgesehen hätten, die Platinuhren kauften statt verrostete Sägen zum Auftrennen menschlicher Schädel. Mein Zollformular war für mich eine einzige Liste von Gründen, nach Frankreich zurückzukehren und die Sprache zu erlernen. Sich unterhalten zu können wäre nicht schlecht, aber die wahre Belohnung wäre die Fähigkeit, in fließendem Französisch zu feilschen und meinen nächsten zweiköpfigen Schädel für den Preis eines normalen zu erstehen.
    Zurück in New York, machte ich weidlich Gebrauch von meinem Status als Muttersprachler. Ich quasselte stundenlang mit Verkäufern, hörte privaten Unterhaltungen zu und registrierte, dass ich einen ganzen Monat lang niemanden klagen gehört hatte, wie »total gestresst« er sei, ein Ausdruck, der mir schon immer auf die Nerven ging. Die Leute in New York sind ganz versessen darauf, anderen mitzuteilen, wie erschöpft sie sind. Und wenn man dann sagt: »Ja, du siehst auch ziemlich kaputt aus«, sind sie stinksauer. Ein besonderes Auge richtete ich auf Fremde, Europäer etwa, die in meiner Straße in Soho einkauften, oder die Putzfrau, die immer »Polen« oder »El Salvador« sagte, wenn man ihr eine einfache, mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage stellte. Ich fühlte mich dafür

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