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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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hast tatsächlich Leute im Restaurant rauchen gesehen? Wahnsinn! Und in ihren Büros? Bitte, erzähl doch noch mal von den Aschenbechern im Wartezimmer des Krankenhauses, aber nichts auslassen. «
    Als ich im folgenden Sommer nach Frankreich reiste, konnte ich nur das Wort für Flaschenhals. Ich sagte »Flaschenhals« am Flughafen, »Flaschenhals« im Zug in die Normandie und »Flaschenhals«, als ich vor dem Steinhaufen stand, der Hughs Landhaus darstellte. Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom und nichts zu kaufen, außer den Rohren und Kabeln, die man brauchte, wenn man Wasser und Strom haben wollte. Gerade weil es nichts Anständiges zu kaufen gab, empfingen mich die Leute mit größter Herzlichkeit. Es wäre das gleiche gewesen, wenn es einen Franzosen beispielsweise nach Knightdale, North Carolina, verschlagen hätte. »Meine Güte«, sagten alle, »Sie haben nur für uns eine so weite Reise unternommen?«
    Wäre mein Wortschatz größer gewesen, hätte ich vielleicht geantwortet: »Na ja, nicht ganz.« Wie die Dinge standen, hatte ich immer nur eine Antwort parat: »Flaschenhals. «
    »Oh, Flaschenhals«, sagten alle. »Sie sprechen wirklich gut. «
    Diese Leute waren ganz anders als die Franzosen, die ich mir vorgestellt hatte. Vor allem waren sie zu freundlich, zu großzügig, und zu versiert auf dem Gebiet der Wasser- und Strominstallation. Das Haus liegt in einem kleinen Weiler, einer windschiefen Ansammlung von acht ineinander verschachtelten Steinhäusern, umgeben von wogenden Hügeln, die mit Kühen und Schafen dekoriert sind. Es gibt nirgends Registrierkassen, aber eine Meile entfernt, im Nachbardorf, gibt es einen Metzger, einen Bäcker, eine Post, einen Eisenwarenhandel und einen kleinen Lebensmittelladen. Außerdem gibt es eine Kirche, ein Münztelefon, eine Grundschule und einen Laden für Zigaretten. »New York City!« sagten die Händler. »Da haben Sie's aber ganz schön weit bis nach Hause.« Sie sagten das in einem Tonfall, als wäre ich zu einem kleinen Spaziergang von Manhattan aus aufgebrochen und hätte die Zeit aus den Augen verloren.
    Man konnte den Eindruck gewinnen, wenn man schon aus Amerika kam, war New York eine Stadt so gut wie jede andere. Die Leute hatten schon mal davon gehört, besonders die drei Teenager im Dorf, die Englisch in der Schule lernten und öfter vorbeikamen, um sich mit mir über das Leben in »Ny« zu unterhalten. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass das N und das Y Initialen waren, die für New und für York standen, aber sie waren nicht davon abzubringen, die Buchstaben zu einem Wort zusammenzuziehen. Ny, sagten sie, sei der Ausdruck der Insider. Hieß das nicht überall in den Usa so?
    Die Teenager stellten sich New York als glitzerndes Wunderland vor, ein Spielplatz der Berühmtheiten, wo man nur vor die Tür gehen musste, um Madonna oder Michael Jackson zu begegnen, die im Park saßen und ihren Babys die Brust gaben. Nachdem ich so leichtsinnig war und ein paar der Stars aufzählte, denen ich bei mir im Viertel begegnet war, brauchte man für den Rest des Sommers, wenn man unser Haus meinte, nur zu sagen: »Das, wo die vielen Teenager davorliegen. « Sie lagen lang ausgestreckt mitten auf der Straße, um nur ja nichts zu verpassen, sollte einer meiner berühmten Freunde zufällig beschließen, vorbeizukommen und mir beim Ausheben der Sickergrube zu helfen. Ich hatte Angst, einer von ihnen könnte von einem Auto überrollt und ich für seinen Tod verantwortlich gemacht werden. »Ach, keine Sorge«, sagten die Nachbarn. »In ein paar Jahren sind die raus aus dem Alter. «
    Zumindest glaubte ich, dass sie dies sagten. Wenn ich Hugh nicht als Übersetzer bei mir hatte, verlief jeder Austausch über eine Folge von Vermutungen. Der freundliche Metzger war vielleicht gar nicht so freundlich, und womöglich sagte mir der Lebensmittelhändler auf den Kopf zu: »Leck mich, mit deinem blöden Flaschenhals. Geh jetzt und lass mich in Frieden. « Ihre Charakterzüge waren allein meine Erfindung. Umgekehrt war meine Person ausschließlich ihre Erfindung. Ich mochte ein gestandener Mann Mitte Dreißig sein, doch galt ich im Dorf nur als »der Typ, der immer Flaschenhals sagt«. Der Rattenfänger, der die jungen Leute dazu anstiftet, sich mitten auf die Straße zu legen, der erwachsene Mann, der die Warnschilder an Elektrozäunen missachtet und mit seinem Gebrüll die Pferde erschreckt. Hätte mir wer von so einem Menschen erzählt, hätte ich gesagt: »Ach so, du

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