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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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womit sie letzte Nacht so beschäftigt war.
    “Warum tut ihr das?” Ihre Arme hängen nutzlos an ihr herab. Sie sieht aus, als hätte auch sie eine Kette um den Hals. “Ihr seid selbst daran schuld, ist euch das klar?” Sie beugt sich über mich und ich glaube, dass sie mir übers Gesicht streicheln will, aber stattdessen packt sie die Kette um meinen Hals. Sie zuckt von dem heißen Metall zurück, das meine Haut verbrennt.
    “Wehr dich nicht”, flüstert sie und steckt einen Finger zwischen Kette und Hals. “Warum müsst ihr ihn immer ärgern? Warum seid ihr so frech?” Sie flüstert noch immer, und ich weiß, dass sie keine Antwort erwartet. “Ihr seid nur ein weiterer Nagel in meinem Sarg.” Sie richtet sich wieder auf und blickt hinüber zu Emma, die noch immer schläft. “Ich bin gleich wieder da”, sagt sie.
    Mein Kopf ist zu schwer, um ihn oben zu halten, deswegen lege ich mich wieder hin und warte auf sie. Was dann geschehen wird, weiß ich nicht, aber ich kann sowieso nichts anderes tun, also schließe ich die Augen wegen der Sonne, die auf uns niederbrennt. Dann rasselt die Kette, ich drehe den Kopf, sehe wie Mama im Schmutz kauert und einen Schlüssel in das Vorhängeschloss steckt. Selbst ohne Kette ist mein Kopf zu schwer, um ihn zu heben, ich kann meine Augen nicht richtig öffnen, obwohl ich nicht mehr blinzle. Ich glaube, sie sind geschwollen.
    “Aufstehen”, sagt sie ruhig. “Und widersprecht ihm heute kein einziges Mal.” Sie geht zurück ins Haus und lässt uns allein.
    “Em? Stehst du schon?”
    “Ja”, flüstert sie zurück. “Hier.” Sie streckt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen. Mir tut alles weh.
    “Wo sollen wir hingehen?” fragt sie. “Wir können nicht rein. Wahrscheinlich weiß er gar nicht, dass wir nicht mehr angekettet sind.”
    Ich würde mich am liebsten in den Schatten der Bäume verziehen, aber Emma hat Recht. Wir sollten uns heute besser rar machen.
    “Was ist mit Miss Mary?”
    Emma nickt.
    “Ich schreibe eine Nachricht, damit sie nicht glauben, wir wären wieder weggelaufen.” Ich krieche zur Küchentür, lausche nach einem Lebenszeichen, und als ich das Ticken der Uhr höre, die noch immer an der leeren Wand hängt, schlüpfe ich hinein. Ich brauche eine Minute, um einen Stift zu finden, dann schreibe ich auf einen der Umzugskartons: “Sind bei White’s. Kommen bald wieder. C. und E.” Dann schleiche ich wieder nach draußen.
    Ganz langsam laufen wir dieselbe schmutzige Straße entlang, die gestern Nacht noch so lang und verzaubert gewirkt hat. Sonnenflecken sprenkeln die beiden Fahrbahnen, die uns von dem Haus in der Murray Mill Road wegführen.
    Ein paar Häuser vor White’s treffen wir auf Charley Narley, doch als er uns erblickt, dreht er sich einfach weg. Er folgt uns nicht und beschreibt nicht, was wir tun. Er dreht sich nur weg und blickt in die Ferne, keine Ahnung, wohin.
    “Ach, du guter Gott im Himmel”, ruft Miss Mary, als sie uns sieht. Ich habe bis jetzt noch nicht in den Spiegel gesehen, aber ich vermute, wir sehen so ausgewrungen aus wie die Abwaschlappen, die Mama auf der Wäscheleine trocknen lässt. “Was ist denn um Himmels willen passiert? Mr. White. Sie sollten besser mal kommen.” Sie zieht ein erschreckend böses Gesicht. Statt wie sonst auf ihren Schoß zu klopfen, kniet sie sich auf den Boden und berührt mein Gesicht so vorsichtig, als wäre es aus Glas.
    “Ach, Liebling, was hat er dir angetan?” Ich schaue in ihre Augen, die sich mit Tränen füllen.
    “Ist okay”, sage ich. “Ich mache mir nur Sorgen um Emma, das ist alles.” Emmas Hals ist ganz verbrannt, außerdem ist ihr Gesicht mit getrocknetem Hundefutter verschmiert, weil sie die Dose ausgeleckt hat, deshalb sieht sie bestimmt viel schlimmer aus, als sie sich fühlt. Allerdings schwankt sie wie eine große Sonnenblume am Straßenrand, wenn ein großer Laster vorbeirast.
    “Du liebe Zeit.” Mr. White kniet sich jetzt auch vor uns. Dann steht er auf und sagt: “Ich hole Handtücher und Heilsalbe, Mary. Holst du was zum Säubern?”
    Und dann sind sie ganz geschäftig. Miss Mary greift nach einer Schachtel mit Pflastern, obwohl Mr. White sie gar nicht darum gebeten hat, führt uns hinter der Theke vorbei in das Hinterzimmer, wo es dunkler und kühler ist, weil die Klimaanlage auf vollen Touren läuft. Sanft tupft Mr. White mein Gesicht und die Stirn ab, schraubt dann eine Tube auf und drückt eine durchsichtige, kühle Salbe heraus. Das fühlt sich so

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