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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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meine.”
    Peng!
    Emma schreit auf wie ich beim ersten Mal. Auf diesen Knall ist man einfach nicht vorbereitet.
    “Nicht schlecht für den Anfang”, sagt er, als der Rauch, der aus dem Lauf kommt, sich lichtet. “Hast du das mit dem Abzug verstanden?”
    “Klar!” sagt sie. Ich muss grinsen, weil ich weiß, wie aufgeregt sie sein muss.
    “Also, du hast dein Ziel verfehlt.” Er ist so streng, wie Lehrer nun mal zu sein haben. “Du musst dich richtig konzentrieren. Gib mal her, ich zeig dir, wovon ich rede. Siehst du, wie ruhig mein Arm ist? Der muss ganz stabil sein, weil es so leicht ist, abzudrücken. Und dann denkt der Arm, dass der Rest auch leicht ist. Aber er muss unbedingt ruhig bleiben.”
    Peng!
    Emma flitzt zum Zaun und hält die heruntergefallene Dose hoch wie eine Trophäe. “Getroffen!”
    “Das ist es, was ich meine. Mein Arm hat sich nicht bewegt. Versuch’s jetzt noch mal.”
    Emma rennt zurück, nimmt das Gewehr und streckt den Arm aus. “So?”
    “Genau so. Der Ellbogen ist ganz steif. Jetzt kannst du abdrücken.”
    Peng!
    Und nachdem sie wieder zum Zaun gerannt ist, hebt sie begeistert eine Dose in die Luft.
    “Das war ein verdammt guter Schuss, Mädchen.” Mr. Wilson spuckt auf den Boden. “Ein sehr guter Schuss.”
    Emma ist so glücklich, dass sie den ganzen Heimweg über hüpft.
    “Du weißt, was wir jetzt machen, oder?” Sie springt auf einen kleinen Felsen und wieder hinunter.
    “Wovon redest du?” frage ich.
    “Wir erschießen Richard.” Sie hüpft über einen Baumstamm. “Er wird einfach erschossen.”
    Ich bleibe stehen. “Was?”
    “Jawohl, ” sagt sie, während sie aufmerksam einen Pilz betrachtet. “Wir bringen Richard um. Mr. Wilson hat uns gezeigt, wie es geht.”
    Ich laufe weiter. “Du bist doch verrückt. Das hat er nicht getan.”
    “Hat er wohl.” Sie hüpft zu mir. “Wir müssen ihn umbringen, Carrie.”
    “Wir sollen einfach irgendwann nach Hause kommen und ihn erschießen? Einfach so?”
    “Ja, sozusagen. Dann werden sie uns nicht aus dem Haus werfen, weil wir dem Sheriff Leid tun. Aber selbst, wenn wir gehen müssen: Sobald Richard tot ist, gibt es niemanden mehr, den Oma und Tante Lillibit hassen, dann können wir bei ihnen wohnen.”
    Noch während sie spricht, beginne ich, den Kopf zu schütteln. “Es ist eine Sache, auf eine Dose zu schießen, aber eine ganz andere, einen Menschen zu erschießen. Egal, wie sehr er es verdient hat.” Manchmal denken kleine Schwestern nicht gründlich nach, dann muss die große Schwester das für sie tun.
    “Stell dir nur vor!” Sie deutet fröhlich auf meine Stirn, auf der sich ein großer blauer Fleck gebildet hat. “Das könnte das letzte Mal sein, dass er dich geschlagen hat.”
    Nachdem Oma und Tante Lillibit gegangen sind, ist das Haus wieder sehr still. Mama wäscht keine Wäsche mehr, das finde ich gut, denn dann muss ich nicht immer helfen, sie aufzuhängen. Eine lästige Pflicht weniger. Ich und Emma ordnen unsere Kleider in zwei Stapel: einer für untragbar schmutzige Wäsche, einer für Kleider, die man noch mal anziehen kann. Die haben vielleicht ein paar Flecken, können aber noch als sauber durchgehen, wenn man sie verkehrt herum trägt. Das ist unsere neue Methode.
    Der Räumungsbefehl hängt nach wie vor an der Tür, mir fällt er schon gar nicht mehr auf, wenn ich rein- und rausgehe. Mama kommt manchmal aus ihrem Zimmer, aber ich bin froh, wenn sie es nicht tut, denn entweder weint oder schimpft sie. Richard habe ich seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen, nach den leeren Bierflaschen zu urteilen ist er aber noch da, wahrscheinlich dann, wenn wir tief und fest schlafen. Vielleicht arbeitet er ja wieder.
    Alles könnte meinetwegen so weitergehen, aber ich nehme an, so soll es nicht sein.

12. KAPITEL
    “I ch habe interessante Neuigkeiten für euch”, erklärt Miss Ueland. “Alle mal herhören, ich muss euch etwas sagen.”
    Ellie Frenden flüstert mir ins Ohr: “Ich weiß, was sie sagen will”, dann kneift sie die Lippen zusammen und sieht sehr zufrieden mit sich aus.
    “Also”, beginnt Miss Ueland. “Ich möchte euch erzählen, dass ich Mutter werde.”
    Im Raum breitet sich Totenstille aus. Ellie versucht triumphierend, meinen Blick aufzufangen. Ihr Onkel ist Arzt, deswegen wusste sie vermutlich Bescheid.
    “Das kommt sehr
unerwartet
, ist aber sehr
aufregend
für mich und Mr. Ueland”, fährt sie fort. “Wir ziehen in den nächsten Ort, weil wir ein größeres Haus mit

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