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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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weitersprechen würde, was sie nach einer kurzen Pause tat.
    »Sie müssen das verstehen. Julie war zu jung. Sie konnte sich kaum an ihren Vater erinnern. Aber Natalie? Sie ist nie darüber hinweggekommen. Die Erinnerung hat sie nie losgelassen.«
    Wieder fuhr sie sich mit der zittrigen Hand übers Gesicht. Sie wandte den Blick ab. Ich wartete noch etwas, aber Sylvia Avery hatte erst einmal aufgehört zu reden.
    Ich versuchte, entschieden zu klingen. »Wo ist Professor Kleiner jetzt?«
    »Kalifornien«, sagte sie.
    »Wo in Kalifornien?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »In der Umgebung von Los Angeles, San Francisco? San Diego? Kalifornien ist ziemlich groß.«
    »Wie schon gesagt, weiß ich das nicht. Wir haben keinen Kontakt.«
    »Woher wissen Sie dann, dass er in Kalifornien ist?«
    Sie schwieg einen Moment lang. Ihre Miene verdunkelte sich. »Genaugenommen weiß ich das gar nicht«, sagte sie. »Er könnte auch umgezogen sein.«
    Eine Lüge.
    »Sie haben Ihren Töchtern erzählt, dass er wieder geheiratet hätte.«
    »Das stimmt.«
    »Woher wussten Sie das?«
    »Aaron hat mich angerufen und es erzählt.«
    »Ich dachte, Sie haben keinen Kontakt.«
    »Seit Langem nicht mehr.«
    »Wie heißt seine Frau?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Und wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen.«
    »Warum nicht? Dass Sie es Ihren Töchtern nicht erzählt haben, okay, das sehe ich ein. Sie wollten sie schützen. Aber warum sollten Sie es mir nicht sagen?«
    Sie verdrehte die Augen. Ich beschloss zu bluffen.
    »Ich habe die Heiratsurkunden überprüft«, sagte ich. »Ihre Ehe wurde nie geschieden.«
    Sylvia Avery grunzte leise. Bienenkorb konnte es unmöglich gehört haben, aber ihre Ohren richteten sich auf wie bei einem Hund, der ein Geräusch hört, das sonst niemand hören kann. Wieder schenkte ich ihr ein »Alles in Ordnung«-Lächeln.
    »Wie konnte Ihr Mann noch einmal heiraten, wenn Sie nie geschieden wurden?«
    »Das müssen Sie ihn fragen.«
    »Was ist passiert, Miss Avery?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Lassen Sie es gut sein.«
    »Er ist nicht mit einer Studentin durchgebrannt, richtig?«
    »Doch, das ist er«, sagte sie. Jetzt versuchte sie es mit Entschiedenheit. Aber es gelang ihr nicht. Es klang zu defensiv, zu routiniert. »Ja, Aaron ist durchgebrannt und hat mich verlassen.«
    »Sie wissen, dass Lanford College ein ziemlich kleiner Campus ist, oder?«
    »Natürlich weiß ich das. Ich habe da sieben Jahre lang gelebt. Und?«
    »Die Campus-Medien wären heiß gelaufen, wenn eine Studentin ihr Studium abgebrochen hätte, um mit einem Professor durchzubrennen. Ihre Eltern hätten beim Präsidenten angerufen. Es hätte Mitarbeiterversammlungen gegeben. Oder sonst irgendetwas. Ich habe das überprüft. In der Zeit, als Ihr Mann verschwand, hat niemand sein Studium abgebrochen. Es gab keine Studentin, die Seminare geschwänzt hat, und es ist auch keine verschwunden.«
    Auch dies war ein Bluff, aber ein guter. Auf einem so kleinen Campus wie dem von Lanford blieb so etwas nicht lange geheim. Wenn eine Studentin mit einem Professor durchgebrannt wäre, hätten alle, insbesondere Mrs Dinsmore, ihren Namen gekannt.
    »Vielleicht war sie auf dem Strickland. Dem staatlichen College gleich um die Ecke. Ja, ich glaube, sie hat da studiert.«
    »So ist das damals nicht abgelaufen«, sagte ich.
    »Bitte«, sagte Miss Avery. »Was soll das werden?«
    »Ihr Mann ist verschwunden. Und jetzt, fünfundzwanzig Jahre danach, passiert dasselbe mit Ihrer Tochter.«
    Endlich schien sie zuzuhören. »Was?« Sie schüttelte den Kopf ein wenig zu energisch. Fast wie ein trotziges Kind. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Natalie im Ausland lebt.«
    »Nein, Miss Avery, das tut sie nicht. Sie hat Todd nie geheiratet. Das war ein Trick. Todd war schon verheiratet. Außerdem wurde er vor knapp einer Woche ermordet.«
    Das war zu viel. Sylvia Averys Kopf fiel erst zur Seite, dann nach vorn, als hätte ihre Halswirbelsäule sich in Gummi verwandelt. Ich sah, wie Bienenkorb hinter ihr zum Telefon griff. Sie sah mich an, während sie mit jemandem sprach. Das hölzerne Lächeln war verschwunden.
    »Natalie war ein so fröhliches Mädchen.« Ihr Kopf hing immer noch herab. »Sie können sich das gar nicht vorstellen. Oder vielleicht schon. Sie haben sie geliebt. Sie haben ihr wahres Ich gesehen, aber das war ja auch viel später. Nachdem sich so viele Dinge bereits wieder gebessert hatten.«
    »Inwieweit gebessert?«
    »Wissen

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