Ich finde dich
klar, dass das Ganze überhaupt keinen Sinn ergibt.«
»Das tut es wirklich nicht«, pflichtete Delia Sanderson mir bei. »Aber Sie glauben offenbar, dass mein Mann etwas über diese Frau wusste. Und deshalb sind Sie auch hergekommen.«
»Ja.«
»Warum?«
Wieder sah ich keinen Grund zu lügen. »Es klingt verrückt.«
Sie wartete.
»Ich habe vor sechs Jahren gesehen, wie Ihr Ehemann Natalie Avery in einer kleinen Kapelle in Vermont geheiratet hat.«
Delia Sanderson blinzelte zwei Mal. Sie stand auf und wich etwas zurück. »Ich glaube, Sie sollten jetzt besser gehen.«
»Bitte hören Sie mir zu.«
Sie schloss die Augen, aber die Ohren kann man nicht schließen. Ich sprach schnell. Ich erzählte ihr, dass ich vor sechs Jahren zur Hochzeit gegangen war, dass ich Todds Todesanzeige gesehen hatte, dass ich zur Beerdigung hier war und dass ich geglaubt hatte, ich hätte mich geirrt.
»Sie haben sich geirrt«, sagte sie, als ich fertig war. »Sie müssen sich geirrt haben.«
»Und das Gemälde? Soll das reiner Zufall sein?«
Sie sagte nichts.
»Mrs Sanderson?«
»Was wollen Sie?«, fragte sie leise.
»Ich will sie finden.«
»Warum?«
»Sie wissen, warum.«
Sie nickte. »Weil Sie sie lieben.«
»Ja.«
»Obwohl Sie vor sechs Jahren gesehen haben, wie sie einen anderen Mann geheiratet hat.«
Ich schenkte mir die Antwort. Es war unerträglich still im Haus. Wir drehten uns beide um und betrachteten die Hütte auf dem Hügel. Ich wollte, dass sich das Bild veränderte, dass die Sonne höher über den Horizont stieg, damit Licht in eines der Fenster fiel.
Delia Sanderson entfernte sich ein paar Schritte weiter von mir und zog ihr Handy aus der Tasche.
»Was machen Sie?«, fragte ich.
»Ich habe Sie gestern gegoogelt. Nachdem Sie angerufen haben.«
»Okay.«
»Ich wollte sichergehen, dass Sie der sind, für den Sie sich ausgeben.«
»Wer hätte ich sonst sein sollen?«
Delia Sanderson ignorierte meine Frage. »Auf der College-Webseite war ein Bild von Ihnen. Ich habe Sie mir durch den Spion angesehen, bevor ich die Tür geöffnet habe.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Ich hatte Angst, dass der Mörder meines Mannes womöglich …«
Jetzt verstand ich. »Ihretwegen noch einmal zurückkommen würde.«
Sie zuckte die Achseln.
»Aber Sie haben gesehen, dass ich es bin.«
»Ja. Also habe ich Sie reingelassen. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Schließlich sind Sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hergekommen. Woher soll ich wissen, dass Sie keiner von denen sind?«
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, halte ich also erst einmal etwas Abstand. Ich bleibe hier bei der Haustür. Falls Sie aufstehen, drücke ich diese Taste, woraufhin der Notruf gewählt wird, und renne los. Haben Sie das verstanden?«
»Ich gehöre nicht zu …«
»Haben Sie das verstanden?«
»Natürlich«, sagte ich. »Ich rühre mich nicht von der Stelle. Darf ich Ihnen denn eine Frage stellen?«
Mit einer Geste forderte sie mich auf fortzufahren.
»Woher wissen Sie, dass ich keine Pistole habe?«
»Ich habe Sie beobachtet, seit Sie das Haus betreten haben. In der Kleidung können Sie die nirgends verstecken.«
Ich nickte. Dann sagte ich: »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich hier bin, um Ihnen etwas anzutun, oder?«
»Nein, das glaube ich nicht. Aber wie schon gesagt, ich möchte lieber auf Nummer sicher gehen.«
»Ich weiß, dass die Geschichte über die Hochzeit in Vermont verrückt klingt«, sagte ich.
»Das ist wahr«, sagte Delia Sanderson. »Aber für eine Lüge klingt sie wieder zu verrückt.«
Wir ließen diese Bemerkung noch einen Moment lang sacken. Unsere Blicke wanderten wieder zur Hütte auf dem Hügel.
»Er war ein so guter Mensch«, sagte Delia Sanderson. »Mit einer eigenen Praxis hätte Todd ein Vermögen verdient, aber er hat fast ausnahmslos für Fresh Start gearbeitet. Sie wissen doch, was das ist, oder?«
Der Name kam mir irgendwie bekannt vor, ich konnte ihn aber nicht einordnen. »Ich fürchte nicht.«
Sie lächelte tatsächlich. »Wow, Sie hätten Ihre Hausaufgaben besser machen sollen. Fresh Start ist die Wohltätigkeitsorganisation, die Todd zusammen mit ein paar anderen Lanford-Absolventen gegründet hat. Sie war seine große Leidenschaft.«
Jetzt fiel es mir wieder ein. Sie war auch in der Todesanzeige erwähnt worden, obwohl ich nicht gewusst hatte, dass es eine Verbindung nach Lanford
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