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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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reden?«
    Sie bekam ein überbackenes Sandwich mit Portobello-Pilzen, ich eins mit Truthahn, Salat und Tomate auf Roggenbrot. »Ich war so frei, für dich zu bestellen«, sagte sie.
    Ich rührte das Sandwich nicht an.
    »Was läuft hier, Shanta?«
    »Genau das versuche ich herauszubekommen. Wie hast du Natalie kennengelernt?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Sei so gut.«
    Wieder stellte nur sie die Fragen, und ich gab die Antworten. Ich erzählte ihr, wie wir uns vor sechs Jahren in den Refugien in Vermont kennengelernt hatten.
    »Was hat sie dir über ihren Vater erzählt?«
    »Nur dass er tot sei.«
    Shanta sah mir in die Augen. »Weiter nichts?«
    »Zum Beispiel?«
    »Na ja, zum Beispiel …«, sie nahm einen kräftigen Schluck und zuckte dann theatralisch die Achseln, »… dass er hier Professor war.«
    Meine Augen weiteten sich. »Ihr Vater?«
    »Ja.«
    »Ihr Vater war Professor in Lanford?«
    »Nein, in Judie’s Restaurant«, sagte Shanta und verdrehte die Augen. »Natürlich in Lanford.«
    Ich versuchte immer noch meinen Kopf wieder klar zu bekommen. »Wann?«
    »Angefangen hat er vor ungefähr dreißig Jahren. Dann hat er hier sieben Jahre gelehrt. Im Fachbereich Politikwissenschaft.«
    »Das soll doch wohl ein Witz sein.«
    »Ja, genau deshalb hab ich dich herbestellt. Weil ich ein richtig großer Spaßvogel bin.«
    Ich rechnete nach. Natalie war sehr jung gewesen, als ihr Vater angefangen hatte, hier zu lehren – und immer noch ein Kind, als er aufgehört hatte. Vielleicht hatte sie sich gar nicht mehr daran erinnert, dass sie hier gewesen war. Vielleicht hatte sie deshalb nichts gesagt. Aber hätte sie nicht zumindest davon gewusst? Hätte sie nicht gesagt: »Hey, mein Vater hat hier gelehrt. Im gleichen Fachbereich wie du.«
    Ich dachte daran, wie sie mit Hut und Sonnenbrille über den Campus gelaufen war, wie scharf sie darauf gewesen war, alles zu sehen, und wie sie beim Spaziergang über die Grünflächen mit der Zeit immer nachdenklicher geworden war.
    »Aus welchem Grund hätte sie es mir nicht erzählen sollen?«, fragte ich laut.
    »Das weiß ich auch nicht.«
    »Ist er gefeuert worden? Was hat er danach gemacht?«
    Sie zuckte die Achseln. »Die spannendere Frage wäre vielleicht, warum Natalies Mutter wieder ihren Mädchennamen angenommen hat.«
    »Was?«
    »Ihr Vater hieß Aaron Kleiner. Der Mädchenname von Natalies Mutter lautete Avery. Sie hat ihn wieder angenommen. Und Natalie und Julie haben dann auch den Mädchennamen ihrer Mutter angenommen.«
    »Moment mal, wann ist ihr Vater gestorben?«
    »Dann hat Natalie es dir nicht erzählt?«
    »Ich hatte nur den Eindruck, dass es schon lange her war. Vielleicht lag es daran. Vielleicht haben sie den Campus verlassen, weil er gestorben ist.«
    Shanta lächelte. »Das kann ich mir nicht vorstellen, Jake.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es hier anfängt, richtig interessant zu werden. Hier ist es mit Daddy genauso wie mit seiner kleinen Tochter.«
    Ich sagte nichts.
    »Es gibt keinen Bericht, in dem steht, dass er gestorben ist.«
    Ich schluckte. »Und wo ist er dann?«
    »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, Jake.«
    »Was zum Teufel soll das denn jetzt heißen?« Aber wahrscheinlich kannte ich die Antwort.
    »Ich habe versucht festzustellen, wo Professor Aaron Kleiner jetzt ist«, sagte Shanta. »Rate mal, was ich herausbekommen habe?«
    Ich wartete.
    »Ganz genau – nichts, null, nada. Kein Stück. Seit er vor einem Vierteljahrhundert Lanford verlassen hat, gibt es nicht das geringste Lebenszeichen von Professor Aaron Kleiner.«

NEUNZEHN
    D ie alten Jahrbücher fand ich in der College-Bibliothek.
    Sie lagen im Keller der Bibliothek und rochen schimmlig. Die Hochglanzpapier-Seiten klebten aneinander, als ich sie durchblättern wollte. Aber da war er: Professor Aaron Kleiner. Ein relativ unauffälliges Foto von einem halbwegs attraktiven Mann mit dem üblichen aufgesetzten Fotolächeln, das glücklich aussehen sollte, aber eher linkisch wirkte. Ich musterte sein Gesicht, um festzustellen, ob ich eine Ähnlichkeit mit Natalie entdeckte. Nicht ausgeschlossen. Schwer zu sagen. Wie wir alle wissen, kann das Gehirn einem da leicht einen Streich spielen.
    Wir neigen dazu, das zu sehen, was wir sehen wollen.
    Ich starrte sein Gesicht an, als würde ich darin irgendwelche Antworten finden. Ich fand sie nicht. Ich sah mir auch die anderen Jahrbücher an. Keine neuen Erkenntnisse. Ich überflog die Seiten des Fachbereichs Politikwissenschaft und

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