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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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erinnerte sie sich nicht an mich, als ich vor ein paar Tagen bei ihr im Café gewesen war?
    Mir fiel noch etwas anderes auf. Alle, mit denen ich gesprochen hatte, hatten behauptet, es hätte nie ein Creative-Recharge-Refugium gegeben, Cookie hingegen hatte behauptet, die Mitarbeiter des Cafés hätten nie im Refugium gearbeitet.
    Das war mir damals gar nicht aufgefallen, aber wenn es auf dem Hügel nie ein Refugium gegeben hatte, hätte ihre Antwort dann nicht lauten müssen: »Hä? Welches Refugium?«
    Ganz langsam fuhr ich an Cookies Bookstore Café vorbei. Die beiden einsamen Straßenlaternen warfen lange, bedrohliche Schatten. Es war niemand zu sehen. Im Zentrum des kleinen Ortes war es absolut ruhig – viel zu ruhig wie die klassische Szene in einem Zombiefilm, bevor der Held von den Fleischfressern eingekreist wird. An der nächsten Ecke bog ich rechts ab. Hier gab es keine Straßenbeleuchtung mehr. Das einzige Licht stammte von meinen Scheinwerfern. Ich kam an ein paar Häusern oder anderen Gebäuden vorbei, in denen auch keine Lichter mehr brannten. Hier draußen benutzte offenbar niemand eine Zeitschaltuhr für die Beleuchtung, um Einbrecher abzuschrecken. Cleveres Konzept. In dieser Dunkelheit fanden die Einbrecher die Häuser wahrscheinlich gar nicht erst.
    Mein Navigationsgerät zeigte an, dass ich noch knapp einen Kilometer von meinem Ziel entfernt war. Ich musste noch zwei Mal abbiegen. Ein an Angst grenzendes Unwohlsein breitete sich in meiner Brust aus. Wir haben alle schon gehört, dass bestimmte Tiere und Meereslebewesen Gefahr spüren können. Sie fühlen Bedrohungen oder bevorstehende Naturkatastrophen, beinahe so, als hätten sie einen Überlebensradar oder unsichtbare, extrem lange Tentakel. Irgendwann in grauer Vorzeit mussten auch die primitiven Menschen diese Fähigkeit besessen haben. Und dieser Überlebensinstinkt ging nicht verloren. Er mochte brachliegen oder verkümmern, weil er nicht genutzt wurde. Aber der instinktgesteuerte Neandertaler lebte immer noch in uns, tief versteckt unter Khakihosen und Anzughemden.
    Und jetzt, um den Jargon meiner Jugend zu bemühen, als ich noch Comics las, meldete sich mein Spinnensinn.
    Ich schaltete die Scheinwerfer aus und fuhr in der pechschwarzen Dunkelheit praktisch nach Gefühl an den Straßenrand. Die Straße hatte keinen Bordstein. Der Asphalt ging direkt in Rasen über. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber je länger ich darüber nachdachte, desto plausibler erschien es mir, ein paar grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.
    Von hier aus würde ich zu Fuß weitergehen.
    Ich stieg aus dem Wagen. Als ich die Tür geschlossen hatte und auch das letzte Licht aus war, wurde mir erst richtig bewusst, wie dunkel es war. Die Nacht schien ein lebendiger Organismus zu sein, der mich verschluckte, sich über meine Augen legte. Ich wartete ein oder zwei Minuten, blieb einfach still stehen, damit sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Augen, die sich der Dunkelheit anpassten – noch so eine Fähigkeit, die wir zweifelsohne vom primitiven Urmenschen geerbt haben. Als ich zumindest gut einen Meter weit sehen konnte, machte ich mich auf den Weg. Ich hatte mein Handy dabei. Es war voller Apps, die ich nie benutzte, es gab nur eine, die ich wirklich brauchte, die vermutlich nützlichste und technisch banalste, die Taschenlampe. Ich überlegte, ob ich sie anschalten sollte, entschied mich aber dagegen.
    Wenn hier irgendwo eine Gefahr auf mich lauerte – und ich hatte keine Ahnung, wo oder in welcher Form sie das tun könnte –, wollte ich mich zumindest nicht durch eine leuchtende Taschenlampe verraten. Schließlich hatte ich deshalb den Wagen stehen lassen und war zu Fuß weitergegangen, oder?
    Wieder musste ich daran denken, wie ich hinten im Transporter festgehalten worden war. Ich hatte keine Skrupel wegen der Kollateralschäden auf meiner Flucht – selbstverständlich würde ich noch einmal so handeln, ja wenn nötig auch noch tausend Mal –, trotzdem hatte ich nicht die geringsten Zweifel, dass Ottos letzte Zuckungen mich in meinen Träumen bis zu meinem Tod verfolgen würden. Ich würde das Knirschen der zerquetschten Luftröhre immer im Ohr haben und spüren, wie Knorpel und Knochen nachgaben und ein Leben beendet wurde. Ich hatte jemanden getötet. Ich hatte ein Menschenleben ausgelöscht.
    Dann wanderten meine Gedanken weiter zu Bob.
    Ich verlangsamte meinen Schritt. Was hatte Bob wohl getan, nachdem ich den Abhang hinunter

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