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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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tiefer in den Wald hinein. Ich sah sie nicht mehr, nur noch ihre Taschenlampen.
    »Er ist ganz in der Nähe«, sagte der Dünne.
    »Oder zumindest«, sagte Jed, der einen Hoffnungsschimmer am Horizont sah, »sein Handy.«
    In geduckter Haltung ging ich weiter, ohne Plan. Ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich gehen sollte und wie groß der Wald war. Vielleicht konnte ich ihnen entkommen, indem ich in Bewegung blieb, aber im Endeffekt hatte ich keine Vorstellung, wie ich hier wegkommen sollte.
    Vielleicht, überlegte ich, könnte ich einen Bogen zum Haus zurück schlagen.
    Ich hörte Stimmengemurmel. Sie waren so weit entfernt, dass ich sie nicht mehr sah. Das war gut. Offensichtlich hatten sie angehalten. Die Taschenlampen leuchteten nach unten.
    »Hier ist er nicht«, sagte jemand.
    Der Stämmige genervt: »Das seh ich selbst.«
    »Vielleicht ist der Tracker kaputt.«
    Wahrscheinlich standen sie genau dort, wo ich das Handy versteckt hatte. Ich fragte mich, wie viel Zeit ich dadurch wohl gewann. Viel wohl nicht, aber vielleicht würde es reichen. Ich stand auf, um weiterzurennen, da passierte es.
    Ich bin kein Arzt oder Naturwissenschaftler, daher kann ich Ihnen die Funktionsweise von Adrenalin nicht erklären. Jedenfalls hatte es mir geholfen, mit den Schmerzen vom Schlag gegen den Kopf, dem Sprung durchs Fenster und dem Aufprall auf dem Boden klarzukommen. Es hatte mir geholfen, mich vom Kopf-voran-gegen-den-Baum-Rennen zu erholen, selbst als meine Lippe dick wurde und ich das Blut auf der Zunge schmeckte.
    Inzwischen weiß ich jedoch – ich lernte es genau in diesem Moment –, dass Adrenalin nicht ewig wirkt. Es ist ein körpereigenes Hormon, und es steht nicht grenzenlos zur Verfügung. Gut möglich, dass es den stärksten uns bekannten Rausch auslöst, aber seine Wirkung lässt schnell nach, wie ich feststellen musste.
    Und so nahm der Adrenalinausstoß allmählich ab.
    Der Schmerz hingegen nahm nicht allmählich zu, er traf mich wie die Sense des Schnitters. Ein Blitz fuhr in mein Gehirn und zwang mich auf die Knie. Ich musste mir mit der Hand den Mund zuhalten, um nicht laut aufzuschreien.
    Ich hörte, wie ein weiterer Wagen die Einfahrt hinaufkam. Hatte der Stämmige Verstärkung gerufen?
    In der Ferne erklangen Stimmen.
    »Sein Handy!«
    »Was zum … er hat’s versteckt.«
    »Los, verteilt euch.«
    Hinter mir raschelte etwas. Ich fragte mich, wie groß mein Vorsprung war und wie lange dieser Vorsprung die Taschenlampen und Kugeln von mir fernhalten würde. Kaum sehr lange. Wieder überlegte ich, ob es nicht doch am besten wäre, mich zu ergeben und es drauf ankommen zu lassen. Doch der Gedanke behagte mir einfach nicht. Der Stämmige sagte: »Bleib zurück, Jed. Wir kümmern uns darum.«
    »Das ist mein Grundstück«, erwiderte Jed. »Es ist ziemlich groß. Zu zweit schafft ihr das nicht.«
    »Aber …«
    »Mein Grundstück, Jerry.« Jeds Stimme klang aggressiv. »Ihr seid ohne Durchsuchungsbefehl hier.«
    »Ein Durchsuchungsbeschluss?« Der Stämmige. »Ist das dein Ernst? Wir haben uns Sorgen um deine Sicherheit gemacht.«
    »Die mache ich mir auch«, erwiderte Jed. »Ihr habt keine Ahnung, wo dieser Mörder sich versteckt hat, oder?«
    »Also …«
    »Dann könnte er also auch im Haus sein. Irgendwo versteckt. Lauert uns auf. Keine Chance, Bro … wir bleiben hier bei euch.«
    Schweigen.
    Steh auf , forderte ich meinen Körper auf.
    »Dann bleibt in Sichtweite«, sagte der Stämmige. »Ich will keine Heldentaten. Sobald jemand was sieht, ruft er die anderen.«
    Ich hörte beifälliges Murmeln, dann zerteilten die Strahlen der Taschenlampen wieder die Dunkelheit. Sie schwärmten aus. Die Leute konnte ich im Dunkeln nicht sehen, nur die hüpfenden Lichtstrahlen. Genug, um zu wissen, dass ich richtig tief in der Scheiße steckte.
    Steh auf, du Blödmann!
    Ich geriet vor Schmerz ins Taumeln, schaffte es aber, auf die Beine zu kommen. Wie ein steifbeiniges Filmmonster stakste ich vorwärts. Ich hatte vielleicht drei oder vier Schritte zurückgelegt, als ein Lichtstrahl über meinen Rücken huschte.
    Sofort sprang ich hinter einen Baum.
    Hatten sie mich entdeckt?
    Ich wartete, dass jemand rufen würde. Nichts geschah. Ich presste den Rücken gegen den Baumstamm, hörte nur meinen eigenen Atem. Hatte der Lichtstrahl mich erfasst? Ja, da war ich mir ziemlich sicher. Hundertprozentig wusste ich es aber nicht. Ich blieb, wo ich war, und wartete.
    Schritte näherten sich.
    Ich wusste nicht, was ich tun

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