Ich finde dich
erreichte.
»Ich habe ihm nichts getan, das schwöre ich.«
»Und gleich erzählen Sie uns auch noch, dass Sie heute nicht bei seiner Witwe waren.«
»Doch, da war ich«, sagte ich schnell, froh, dass ich ihm endlich einmal zustimmen konnte.
»Aber die hat auch nichts gewusst, oder?«
»Worüber hat sie nichts gewusst?«
Der Lauf bohrte sich wieder tiefer in meine Schläfe. »Warum sind Sie hingefahren und haben mit der Witwe gesprochen?«
Ich sah ihm in die Augen. »Sie wissen, warum«, sagte ich.
»Was haben Sie da gesucht?«
»Nicht was«, sagte ich. »Wen. Ich habe Natalie gesucht.«
Er nickte. Ein frostiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Das Lächeln verriet mir, dass ich ihm die richtige Antwort gegeben hatte – und damit die falsche. »Warum?«, fragte er.
»Was meinen Sie mit warum?«
»Für wen arbeiten Sie?«
»Für niemanden.«
»Jed!«
Diesmal war es nicht Cookie. Es war der Mann am Computer.
Von der Unterbrechung genervt drehte Jed sich um. »Was ist?«
»Du solltest dir das mal angucken. Wir kriegen Gesellschaft.«
Jed nahm die Pistole von meinem Kopf. Ich atmete erleichtert aus. Der Mann am Computer drehte den Bildschirm so, dass Jed ihn sehen konnte. Es sah aus wie ein schwarz-weißes Überwachungsvideo.
»Was wollen die denn?«, fragte Cookie. »Wenn sie ihn hier finden …«
»Das sind unsere Freunde«, sagte Jed. »Um die können wir uns hinterher …«
Ich wartete nicht länger. Ich nutzte die Chance, die sich ergeben hatte. Ohne Vorwarnung sprang ich auf und rannte auf den Mann an der Tür zu. Es kam mir vor, als bewegte ich mich in Zeitlupe, als bräuchte ich viel zu lange, um die Tür zu erreichen. Ich senkte die Schulter, um sie ihm in die Brust zu rammen.
»Stopp.«
Ich war noch etwa zwei Schritte vom Mann vor der Tür entfernt. Auch er schob die Schulter nach vorn, bereitete sich auf den Zusammenprall vor. Mein Gehirn arbeitete weiter, rechnete und überprüfte das Ergebnis. In weniger als einer Sekunde – weniger als einigen Nanosekunden – hatte ich das ganze bevorstehende Szenario vor Augen. Wie lange würde ich brauchen, um den Kerl niederzuringen? Mindestens zwei bis drei Sekunden. Dann musste ich den Knauf ergreifen, ihn umdrehen, die Tür öffnen, rausrennen.
Wie lange würde das dauern?
Ergebnis: zu lange.
Bis dahin hätten sich zwei weitere Männer und vielleicht zwei Frauen auf mich gestürzt. Oder Jed schoss einfach. Und wenn er sehr schnell reagierte, konnte er noch einen Schuss abgeben, bevor ich den Mann an der Tür erreichte.
Kurz gesagt, wenn ich das Risiko abschätzte, musste ich mir eingestehen, dass ich keine Chance hatte, durch die Tür zu entkommen. Trotzdem rannte ich immer noch voller Wut auf meinen Kontrahenten zu. Er erwartete mich. Er rechnete damit, dass ich mich auf ihn stürzte. Und das taten Jed und die anderen vermutlich auch.
Also war das unmöglich, oder?
Ich musste sie überraschen. Im letzten Moment warf ich meinen Körper nach rechts, und ohne einen Blick nach hinten oder den Anflug eines Zögerns machte ich einen Hechtsprung durchs Fenster.
Noch in der Luft, während wieder einmal ein Fenster um mich herum zersplitterte, hörte ich Jed rufen: »Ihm nach!«
Ich zog die Arme und den Kopf ein, rollte nach vorne ab und hoffte, gleich wieder auf die Beine zu kommen. Reines Wunschdenken. Ich kam zwar auf die Beine, hatte aber noch so viel Schwung, dass ich gleich weiter nach vorne rollte. Schließlich rappelte ich mich auf.
Wo zum Teufel war ich?
Keine Zeit zum Nachdenken. Ich nahm an, dass ich irgendwo hinten im Garten war. Ich sah Wald. Die Einfahrt und die Vorderseite des Hauses befanden sich vermutlich hinter mir. Ich rannte in diese Richtung, hörte dann aber, wie die Haustür geöffnet wurde. Die drei Männer kamen heraus.
Oh, oh!
Also drehte ich mich um und rannte auf den Wald zu. Die Dunkelheit verschluckte mich. Ich konnte vielleicht zwei Meter weit sehen, doch langsamer zu laufen kam nicht in Frage. Drei Männer waren hinter mir her, und mindestens einer hatte eine Pistole.
»Hier rüber!«, rief einer von ihnen.
»Das können wir nicht machen, Jed. Du hast die beiden doch gerade auf dem Bildschirm gesehen.«
Also rannte ich weiter. Ich rannte so schnell ich konnte in den Wald, und dann rannte ich mit dem Kopf gegen einen Baum. Es war ein bisschen wie bei Karl dem Kojoten, wenn er auf einen Rechen tritt – ein dumpfer Aufprall, dann vibrierte alles. Mein Gehirn zitterte. Ich stand schlagartig
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