Ich finde dich
zurück zu Benedicts Auto. Keiner schoss auf mich. Ein Punkt für die Guten. Benedict fuhr nach hinten auf sein Grundstück und setzte mich an seinem Gästehaus ab.
»Danke«, sagte ich.
»Ich muss noch einen Stapel Tests benoten. Kommst du zurecht?«
»Natürlich.«
»Wegen des Kopfs solltest du zum Arzt gehen.«
Ich hatte noch leichte Kopfschmerzen. Sie stammten entweder von den Nachwirkungen einer leichten Gehirnerschütterung, der Erschöpfung, dem Stress oder einer Kombination dieser Ursachen. Ich wusste es nicht genau, ging aber davon aus, dass ein Arzt mir auch nicht weiterhelfen konnte. Ich dankte Benedict noch einmal und machte es mir im Zimmer bequem. Ich nahm den Laptop aus der Tasche und stellte ihn auf den Schreibtisch.
Es war Zeit für ein bisschen Cyber-Schnüffelei.
Vielleicht fragen Sie sich, was mich zu solch einem erstklassigen Ermittler macht, der weiß, wie man im Internet schnüffelt. Ich war keiner und wusste es nicht. Aber ich wusste, wie man Begriffe ins Google-Suchfeld eingab. Und das tat ich.
Zuerst suchte ich nach einem Datum: der 24. Mai vor sechs Jahren.
Es war das Datum, das auf dem Überwachungsfoto stand, das die Polizei mir in New York gezeigt hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich bei dem, was damals geschehen war, um ein Verbrechen. Vielleicht wurde in den Medien darüber berichtet. War das weit hergeholt? Wahrscheinlich schon. Aber es war ein Anfang.
Als ich auf die Enter-Taste drückte, erschienen zuerst ein paar Treffer über einen Tornado in Kansas. Ich musste die Suche einengen. Ich ergänzte » NYC « im Suchfeld und drückte wieder auf Enter. Der erste Link führte zu einem Artikel über die 2:1-Niederlage der New York Rangers gegen die Buffalo Sabres. Eishockey. Der zweite Link: Die New York Mets schlagen die Arizona Diamondbacks 5:3. Baseball. Mann, was waren wir eine sportbesessene Gesellschaft!
Schließlich stieß ich auf eine Internetseite, die zu den New Yorker Tageszeitungen und ihren Archiven führte. In den letzten beiden Wochen dominierte eine Serie schamloser Bankraube die Titelseiten der New Yorker Zeitungen. Die Räuber hatten immer nachts zugeschlagen, keinerlei Spuren hinterlassen und sich so den Spitznamen »Die Unsichtbaren« erarbeitet. Sehr prägnant. Dann klickte ich auf den Link zu den Archiven vom 24. Mai vor sechs Jahren und ging den New-York-City-Teil der Zeitungen durch.
Topstorys des Tages: Ein bewaffneter Mann attackiert das französische Konsulat. Die Polizei zerschlägt einen von einer ukrainischen Bande geführten Heroinhändlerring. Ein Polizist namens Jordan Smith erscheint bei der gegen ihn laufenden Vergewaltigungsverhandlung vor Gericht. Ein verdächtiger Hausbrand in Staten Island. Gegen einen Manager des Solem-Hamilton-Hedgefonds wird Anklage wegen des Aufbaus eines Schneeballsystems erhoben. Einem staatlichen Rechnungsprüfer werden ethische Verfehlungen vorgeworfen.
Das brachte mich nicht weiter. Oder vielleicht doch. Vielleicht war Natalie Mitglied einer ukrainischen Bande gewesen. Vielleicht hatte sie den Hedgefonds-Manager gekannt – das Überwachungskamera-Foto sah aus wie aus der Lobby eines Bürohauses – oder womöglich den staatlichen Rechnungsprüfer. Wo war ich an diesem Tag vor sechs Jahren gewesen? Am 24. Mai. Ich musste gerade aus einem Seminar gekommen sein.
Vor sechs Jahren.
Mein Leben war ein Chaos gewesen, wie Benedict mir in der Bibliotheksbar noch einmal ins Gedächtnis gerufen hatte. Einen Monat zuvor war mein Vater an einem Herzinfarkt gestorben. Meine Dissertation lief nicht gut. Am 24. Mai. Das war damals, als Professor Trainor seine Abschlussparty gegeben hatte, bei der Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt worden war. Ich hatte verlangt, dass er dafür ernsthaft getadelt wurde, was den Ursprung der Spannungen zwischen Professor Hume und mir bildete.
Aber es ging hier nicht um mein Leben. Es ging um Natalies.
Das Überwachungsfoto war am 24. Mai entstanden. Ich überlegte einen Moment lang. Angenommen, es hätte am 24. Mai ein Verbrechen oder einen ähnlichen Vorfall gegeben. Gut, von dieser Annahme war ich vorher schon ausgegangen, doch jetzt dachte ich weiter. Wenn der Vorfall am 24. Mai stattgefunden hatte, wann hätten die Zeitungen dann darüber berichtet?
Natürlich am 25. Mai, nicht am 24.
Das war keine brillante Schlussfolgerung, aber extrem plausibel. Ich klickte auf die Zeitungen vom 25. Mai und überflog wieder den New-York-City-Teil. Topstorys: Der örtliche
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