Ich folge deinem Schatten
er da etwas übersehen. Ich werde mit der Babysitterin anfangen, dachte er wütend. Und dann zerlege ich Zan Morelands Aussagen und finde heraus, wie sie mich so schamlos hatte anlügen können. Und dann, bei Gott, werde ich sie zwingen, mir zu sagen, was mit dem Kind geschehen ist.
19
Tiffany Shields stand kurz vor dem Abschluss ihres zweiten Studienjahrs am Hunter College und wohnte immer noch zu Hause. Der Tag, an dem Matthew Carpenter verschwand, war zum Wendepunkt in ihrem Leben geworden. Und das lag nicht nur daran, dass sie eingeschlafen war, als sie auf Matthew hätte aufpassen sollen – nein, es lag auch an den Medien, die sie, wenn von dem Fall die Rede war, stets als die verantwortungslose Babysitterin darstellten, die sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hatte, ihn im Buggy anzuschnallen; stattdessen hatte sie sich auf einer Decke ausgestreckt und, wie ein Reporter schrieb, »wie eine Tote geschlafen«.
Nahezu jeder Artikel führte ihren hysterischen Anruf bei der Polizei an. Eine Tonbandaufzeichnung wurde sogar im Fernsehen gebracht. Wenn in den vergangenen beiden Jahren irgendwo ein Kind verschwand, war in der Presse immer die Frage gestellt worden, ob es sich dabei um einen neuen Tiffany-Shields-Fall handelte. Ihre Wut über diese Ungerechtigkeit wuchs mit jedem Zeitungs- und Fernsehbericht.
Immer noch sah sie jenen Tag in allen Einzelheiten vor sich. Als sie damals aufwachte, fühlte sie sich, als wäre eine Erkältung im Anflug. Sie sagte das Treffen mit ihren Freundinnen ab, mit denen sie ihren bevorstehenden Abschluss an der Cathedral High School feiern wollte. Ihre Mutter, eine Verkäuferin bei Bloomingdale’s, war zur Arbeit gegangen. Ihr Vater arbeitete als Hausmeister im Apartmentgebäude in der East Eighty-sixth Street, in dem sie auch wohnten. Um Mittag herum klingelte das Telefon. Wäre ich bloß nicht rangegangen, dachte sich Tiffany immer wieder in den folgenden einundzwanzig Monaten. Fast hätte ich es nicht getan. Aber ich dachte, es wäre ein Mieter, der sich mal wieder über einen tropfenden Wasserhahn beschwert.
So ging sie also ans Telefon.
Es war Zan Moreland. »Tiffany, kannst du mir vielleicht aushelfen?«, hatte sie sie angefleht. »Matthews neues Kindermädchen hätte heute Morgen anfangen sollen, aber sie hat gerade angerufen, dass sie erst morgen kommen kann. Ich habe einen schrecklich wichtigen Termin. Mit einer potenziellen Kundin, die meine Babysitter-Probleme nicht im Geringsten interessieren. Sei ein Engel und geh mit Matthew für ein paar Stunden in den Park. Ich habe ihn gerade gefüttert, ich verspreche dir, er wird wahrscheinlich die ganze Zeit durchschlafen.«
Hin und wieder habe ich auf Matthew aufgepasst, wenn das Kindermädchen seinen freien Tag hatte, ich mochte den Jungen, dachte Tiffany. Ich habe Zan damals gesagt, dass bei mir etwas im Anmarsch sei, aber sie hat einfach nicht lockergelassen, bis ich schließlich eingeknickt bin. Und mir damit mein Leben ruiniert habe.
Am Mittwochmorgen, als sie sich bei einem Glas Orangensaft die Morgenzeitung ansah, passierte zweierlei. Zum einen packte sie eine ungeheuerliche Wut auf Zan Moreland, von der sie sich hintergangen fühlte, zum anderen empfand sie eine unglaubliche Erleichterung, nachdem sie nun nicht mehr allein für Matthews Verschwinden verantwortlich war. Ich habe den Polizisten gesagt, dass ich Antihistamine genommen und mich ziemlich groggy gefühlt habe, dachte sie. Ich wollte doch gar nicht babysitten. Wenn sie mich wieder befragen sollten, werde ich ihnen noch mal klipp und klar sagen, dass Zan Moreland gewusst hat, wie müde ich war. Als ich Matthew bei ihr abgeholt habe, hat sie mir eine Pepsi angeboten. Damit würde es mir bessergehen, hat sie gesagt, der Zucker würde bei der Erkältung helfen.
Aber wenn ich es mir jetzt recht überlege, dachte Tiffany, könnte es doch sein, dass Zan mir etwas in das Getränk gegeben hat, damit ich richtig schläfrig werde. Und da Matthew keinen Pieps von sich gegeben hat, als ich ihn in den Buggy legte, war es doch gar nicht nötig, ihn anzuschnallen … Er hat geschlafen wie ein Stein.
Zum wiederholten Mal las sie den Artikel und betrachtete eingehend die Fotos. Das ist das Kleid, das Zan damals getragen hat, dachte sie, aber die Schuhe … die Schuhe stimmen nicht. Zan hatte irrtümlich zwei Paar Schuhe gekauft, die exakt gleich aussahen, dazu besaß sie ein weiteres Paar, das ihnen sehr ähnlich war. Beides waren beigefarbene Sandalen mit hohen
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