Ich folge deinem Schatten
Stimme.
Billy klopfte gegen das Lenkrad und versuchte sich die Ereignisse, die nun fast zwei Jahre zurücklagen, ins Gedächtnis zu rufen. »Wir haben noch am selben Abend mit dieser Aldrich gesprochen. Sie hat Morelands Angaben rückhaltlos bestätigt. Sie hatten sich getroffen, sie gingen gerade die Entwürfe für ihr neues Stadthaus durch, als wir Moreland angerufen und ihr mitgeteilt haben, dass ihr Sohn vermisst wird.« Billy zögerte. »Und weitere Fragen haben wir dann nicht mehr gestellt.«
»Sehen wir den Tatsachen ins Auge«, sagte Jennifer und kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. »Für uns lag alles klar auf der Hand. Eine berufstätige Mutter, eine verantwortungslose Babysitterin und ein Entführer, der die Gelegenheit genutzt hat.«
»Als ich damals nach Hause kam, saß Eileen vor dem Fernseher«, erinnerte sich Billy. »Sie musste weinen, hat sie mir erzählt, als sie Morelands schmerzerfüllte Miene gesehen hat. Alles genau so wie bei Etan Patz, hat sie gesagt, dem kleinen Jungen, der einige Jahre zuvor verschwunden war und niemals gefunden wurde.«
Angesichts der Windböen und des steten Regens schlug Jennifer den Kragen ihres Mantels hoch. »Wir haben ihr alle ihre rührselige Geschichte abgenommen. Aber wenn diese Fotos echt sind, beweisen sie, dass Moreland nicht die ganze Zeit bei Nina Aldrich gewesen sein konnte«, sagte sie. »Und wenn Aldrich schwört, sie seien die ganze Zeit zusammen gewesen, dann sind die Fotos vermutlich gefälscht.«
»Sie sind nicht gefälscht«, erwiderte Billy mürrisch. »Also hat Aldrich nicht die ganze Wahrheit gesagt, als wir damals mit ihr gesprochen haben. Aber warum sollte sie gelogen haben?« Ohne auf eine Antwort zu warten, sagte er: »Gut, gehen wir rein.«
Damit eilten sie vom Wagen zur Tür des Stadthauses und drückten auf die Klingel. »Aldrich dürfte mindestens fünfzehn Millionen Dollar für diesen Kasten hingeblättert haben«, murmelte Billy.
Sie hörten drinnen die Glocke, aber noch bevor sie verklungen war, wurde die Tür von einer lateinamerikanischen Frau in schwarzer Uniform geöffnet. Sie schien Anfang sechzig zu sein, ihre dunklen, von grauen Strähnen durchzogenen Haare hatte sie zu einem ordentlichen Knoten gebunden. Mit ihren tiefen Furchen im Gesicht wirkte sie müde und angespannt.
Billy zeigte ihr seinen Ausweis.
»Ich bin Maria Garcia, Mrs. Aldrichs Haushälterin. Sie erwartet Sie bereits. Darf ich Ihnen die Mäntel abnehmen?«
Garcia hängte die Mäntel in den Garderobenschrank und bedeutete ihnen, ihr zu folgen. Sie gingen durch einen kurzen Flur, Billy erhaschte einen Blick auf das sehr unpersönlich eingerichtete Wohnzimmer. Er stutzte, blieb kurz stehen und sah zum Bild über dem offenen Kamin. Von seinen häufigen Museumsbesuchen glaubte er zu erkennen, dass dort ein echter Matisse hing.
Die Haushälterin führte sie in einen großen Raum, der einem doppelten Zweck zu dienen schien. Butterweiche dunkelbraune Ledersofas waren um einen in die Wand eingelassenen Flachbild-Fernseher gruppiert. An allen drei Wänden standen deckenhohe Mahagoni-Bücherregale. Die Bücher waren allesamt perfekt ausgerichtet. Hier wurde nicht einfach so gelesen, ging ihm durch den Kopf. Die Wände waren dunkelbeige gehalten, der Teppich hatte ein geometrisches Muster in Braun- und Olivtönen.
Überhaupt nicht mein Geschmack, dachte sich Billy. Hat wahrscheinlich ein Vermögen gekostet, aber ein paar kräftige Farben könnten der Einrichtung nicht schaden.
Nina Aldrich ließ sie fast eine halbe Stunde warten, bevor sie mit frostiger Miene und in tadelloser Haltung ins Zimmer gerauscht kam. Sie wussten, sie war dreiundsechzig Jahre alt, und mit ihrem geschmeidigen silberfarbenen Haar, dem makellosen Teint und den aristokratischen Gesichtszügen vermittelte sie in ihrem schwarzen Kaftan und dem Silberschmuck den Eindruck einer Monarchin, die sich mit ungebetenen Gästen herumschlagen musste.
Billy Collins ließ sich nicht beeindrucken. Er stand auf und musste an seinen Onkel denken, der als Chauffeur für eine Familie im Locust Valley, Long Island, gearbeitet und einmal zu ihm gesagt hatte: »Billy, es gibt in dieser Stadt eine Menge kluger Leute mit viel Geld, das sie sich redlich verdient haben. Ich weiß das, weil das genau die Leute sind, für die ich arbeite. Aber das sind nicht die, die wirklich und schon seit Generationen reich sind. Diese Leute leben in ihrer ganz eigenen Welt. Die ticken anders als wir.«
Schon bei ihrem
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