Ich folge deinem Schatten
Charley direkt vor sich hatte. »Warum lassen Sie es zu, dass die beiden mit diesen Beschuldigungen über mich herfallen?«, fragte sie. »Warum ergreifen Sie nicht für mich Partei? Sie sitzen nur da und tätscheln mir die Schulter und lassen es zu, dass sie mir unterstellen, ich hätte mein eigenes Kind entführt und im Lagerraum dieses Hauses eingesperrt.«
»Zan, ich kann nachvollziehen, wie Sie sich fühlen«, antwortete Charley Shore. »Ich muss so handeln. Ich muss alles wissen, was sie eventuell gegen Sie vorbringen können. Wenn sie diese Fragen nicht stellen, können wir keine Verteidigungsstrategie aufbauen.«
»Glauben Sie, ich werde verhaftet?«
»Zan, ich muss Ihnen leider sagen, dass wahrscheinlich ein Haftbefehl gegen Sie ausgestellt wird. Vielleicht nicht heute, aber auf jeden Fall in den nächsten Tagen. Meine Sorge gilt vor allem der Frage, welche Anklagepunkte Ihnen zur Last gelegt werden. Behinderung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Falschaussage. Eingriff in das elterliche Sorgerecht Ihres Ex-Manns. Ich weiß nicht, ob sie so weit gehen und Sie der Entführung anklagen, schließlich sind Sie die Mutter, aber möglich wäre es. Sie haben ihnen soeben gesagt, dass Sie heute Matthew gehört haben.«
»Sie wissen, was ich damit gemeint habe.«
»Sie glauben zu wissen, was Sie damit gemeint haben. Die Polizei könnte zu dem Schluss kommen, dass Sie mit Matthew telefoniert haben.« Als Zan ihn entgeistert ansah, fügte er hinzu: »Zan, wir müssen vom Schlimmsten ausgehen. Und Sie müssen mir vertrauen.«
Die restlichen zehn Minuten saßen sie sich schweigend gegenüber. Als die beiden Beamten zurückkehrten, fragte Collins: »Benötigen Sie noch mehr Zeit?«
»Nein«, antwortete Charley Shore.
»Dann reden wir über Tiffany Shields. Ms. Moreland, wie oft hat sie sich um Matthew gekümmert?«
Das war eine unerwartete, aber leicht zu beantwortende Frage. »Nicht oft, nur hin und wieder. Ihr Vater ist Hausmeister in dem Apartmentgebäude, in dem ich bei Matthews Geburt gewohnt habe. Etwa ein halbes Jahr nach Matthews Verschwinden bin ich dort ausgezogen. Mein erstes Kindermädchen, Gretchen, hatte an den Wochenenden frei, wogegen ich nichts hatte, ich habe mich gern um Matthew gekümmert. Aber nachdem er aus dem Säuglingsalter heraus war, hat abends, wenn er bereits im Bett war und ich noch wegwollte, Tiffany auf ihn aufgepasst.«
»Haben Sie Tiffany gemocht?«, fragte Detective Dean.
»Natürlich. Sie ist ein freundliches, intelligentes Mädchen, und sie mochte Matthew offensichtlich sehr gern. Manchmal hat sie mich am Wochenende, wenn ich mit ihm in den Park ging, sogar begleitet.«
»War Ihre Freundschaft so eng, dass Sie ihr manchmal Geschenke gemacht haben?«, fragte Collins.
»Ich würde das nicht als Geschenke bezeichnen. Tiffany hat so ziemlich meine Größe, und wenn ich meinen Schrank durchging und auf Jacken oder Blusen oder einen Schal gestoßen bin, die ich längere Zeit nicht mehr getragen und von denen ich geglaubt habe, sie könnten ihr gefallen, dann habe ich sie ihr gegeben.«
»Sie haben sie für eine achtsame Babysitterin gehalten?«
»Ich hätte ihr doch nicht mein Kind anvertraut, wenn ich anderer Ansicht gewesen wäre! Das heißt natürlich bis zu diesem schrecklichen Tag.«
»Sie haben gewusst, dass Tiffany eine Erkältung hatte, sich nicht wohlfühlte und eigentlich nicht babysitten wollte«, blaffte Detective Dean sie an. »Hat es sonst niemanden gegeben, der Ihnen hätte aushelfen können?«
»Niemanden, der in der Nähe gewohnt und alles hätte stehen und liegen lassen können, um sofort zu kommen. Die meisten meiner Freunde arbeiten in der gleichen Branche, sie waren also in der Arbeit. Vergessen Sie nicht, ich war ja ganz verzweifelt. Jemanden wie Nina Aldrich ruft man nicht in letzter Minute an, um einen Termin abzusagen. Ich hatte unzählige Stunden in die Entwürfe für dieses Stadthaus gesteckt. Hätte ich ihr abgesagt, wäre ich den Auftrag wahrscheinlich sofort los gewesen. Bei Gott, jetzt wünschte ich mir, ich hätte es getan.«
Obwohl sie Charley Shores Anweisungen beherzigen wollte, wusste sie nur allzu gut, dass sie das nervöse Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen konnte. Warum stellten sie bloß all die Fragen zu Tiffany Shields?
»Tiffany hat sich also widerstrebend darauf eingelassen, Ihnen zu helfen, und ist zu Ihnen in die Wohnung gekommen?«, fragte Detective Dean mit ausdrucksloser Stimme.
»Ja.«
»Wo war Matthew?«
»Er hat
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