Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
gehen.”
Die beiden diskutierten Tylers College-Pläne?
„Mach erst mal deinen Highschool-Abschluss. Dann reden wir weiter.”
„Ach, Mom. Pläne sind wichtig. Und Ziele. Das ist eine Männersache. Mädchen haben keine Ziele.”
„Mädchen haben keine Ziele?” Liz goss den dünnen Teig auf das heiße Waffeleisen.
„Ein paar schon, schätze ich. Aber vielen Mädchen ist es nur wichtig, dass sie hübsch sind.”
„Und manche Jungs haben nichts als Videospiele und Partys im Kopf.”
„Klar, aber das ist etwas anderes.”
Mein Sohn, der Sexist, dachte Liz leicht verärgert. Offenbar mussten sie sich öfter über Gleichstellung und Toleranz unterhalten. Vielleicht sollte Ethan in diesen Gesprächen den erklärenden Part übernehmen. Dann könnte er mal sehen, wie es war, als Elternteil nicht nur für den Spaß zuständig zu sein.
Liz war froh darüber, dass Ethan und Tyler sich so gut verstanden. Allerdings wusste sie auch, dass die beiden noch einen weiten Weg vor sich hatten, bis sie wirklich Vater und Sohn waren. Derzeit war für Tyler alles neu und aufregend, was er mit Ethan unternahm. Ethan würde erst lernen müssen, streng zu Tyler zu sein oder ihn auch mal zu bestrafen.
„Inwiefern ist es etwas anderes?”, fragte sie.
„Jungs ist es egal, wie sie aussehen. Und Mädchen interessieren sich nicht für Computerspiele. Melissa braucht ewig, bis sie im Bad fertig ist.”
„Aber Abby spielt doch mit dir.”
„Aber es gibt mehr Mädchen wie Melissa als solche wie Abby.”
„Und woher weißt du das? Hast du eine Meinungsumfrage durchgeführt?”
Er runzelte die Stirn. „Jetzt bist du sauer. Warum?”
Sie kontrollierte den Teig im Waffeleisen. „Weil du Aussagen über Menschen triffst, die vielleicht überhaupt nicht stimmen. Das, was du von dir gibst, sind größtenteils Mutmaßungen. Es ist leicht zu behaupten, eine Gruppe Menschen würde sich immer auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Das trifft allerdings nicht zu.”
„Was spielt das schon für eine Rolle?”
„Es spielt deshalb eine Rolle, weil die Menschen nun mal viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Die größten Probleme auf der Welt entstehen dadurch, dass wir Mutmaßungen anstellen. Die Leute beurteilen eine Gruppe beispielsweise nach deren ethnischer Herkunft, ihrem Geschlecht oder Aussehen, ohne jemanden aus dieser Gruppe wirklich gut zu kennen. Oder sie haben nur Erfahrungen mit einigen wenigen Vertretern dieser Gruppe gemacht. Dann äußern sie sich über sie, und andere Leute hören das und fangen an, es zu glauben. Und so entstehen Vorurteile.”
Tyler starrte sie verständnislos an.
Liz schüttelte den Kopf. „Lass es mich anders versuchen. Wenn Melissa und Abby zu uns nach San Francisco ziehen, wird Abby auf deine Schule gehen, richtig?”
Er nickte.
„Sie kommt aus einer Kleinstadt. Nehmen wir an, ein paar Schüler und Lehrer glauben, Kleinstädter seien dumm. Dann finden sie irgendwann heraus, dass Abby aus Fool’s Gold kommt, und erzählen in der Schule herum, dass Abby dumm ist. Ist das okay?”
Tyler machte große Augen. „Abby ist nicht dumm. Sie ist total intelligent und witzig. Abby ist meine Freundin.”
„Das weiß ich. Aber was spielt das für eine Rolle? Du hast vorhin doch gesagt, es sei egal, ob man etwas über jemanden sagt, was gar nicht stimmt.”
Er schwieg eine Weile. „Abby wäre verletzt und ich wütend. Und wenn ich dann aggressiv würde, könnte ich Schwierigkeiten bekommen. Und alle meine Freunde wären auf meiner Seite und würden ebenfalls Schwierigkeiten kriegen.”
„Und dann hätten wir den Salat.” Liz schob eine Waffel mit der Gabel auf einen Teller. „Und alles nur, weil jemand etwas glaubt, das gar nicht stimmt.”
„Ich nehme an, es spielt doch eine Rolle, was wir über andere sagen, richtig?”
„Genau. Ein kleines Wort kann eine große Bedeutung haben. Darum ist der Unterschied zwischen alle und manche so wichtig.”
„Okay. Ich sollte also nicht sagen, dass Mädchen keine Ziele haben. Manche Jungs haben auch keine Ziele.”
„Genau.” Sie gab ihm den Teller mit der Waffel.
Er grinste sie an. „Du bist ganz schön klug.”
„Vielen Dank.”
„Du bist wahrscheinlich die klügste Mom auf der ganzen Welt.”
Sie lachte. „Sehr gut möglich.”
Liz hatte tapfer über sich ergehen lassen, dass Wandschränke und Teppiche herausgerissen, Trockenbauwände hochgezogen und neue Holzdielen unter ständigem lauten Hämmern verlegt worden
Weitere Kostenlose Bücher