Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
den kleinen Buchladen, gab es immer noch. Sie erinnerte sich an den Buchhändler. Als Kind und als Jugendliche hatte sie stundenlang in den Neuerscheinungen geschmökert und sich notiert, welche Bücher die Bücherei bestellen sollte.
Morgan war ein gütiger Mann gewesen, dem es nie etwas ausgemacht hatte, dass Liz nie auch nur ein einziges Buch gekauft hatte. Mit schlechtem Gewissen, aber auch ein wenig neugierig ging sie über die Straße zu seinem Laden. Ob er ihre Bücher führte? Noch bevor sie den Laden betrat, sah sie die gebundene Ausgabe ihres letzten Buches im Schaufenster. Es gab ein Plakat mit dem Buchcover, ein relativ großes Foto von ihr, eine Liste mit zahlreichen schmeichelhaften Kritiken und ein Poster, auf dem sie als „Autorin aus Fool’s Gold” bezeichnet wurde.
Liz stutzte. Sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Zwar hatte sie nie verheimlicht, woher sie kam, doch sie hatte es auch nie erwähnt. Es hatte in Fool’s Gold weder Signierstunden noch andere Veranstaltungen zur Bewerbung des Buches gegeben. Dennoch behandelte Morgan sie wie einen Star.
Sie trat ein. Der Laden war genau so hell und freundlich, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Überall waren Bücher, und es juckte sie sofort wieder in den Fingern, jeden Band in die Hand zu nehmen und darin zu blättern.
Sie liebte Bücher. Liebte ihr Gewicht, ihren Geruch und das Gefühl von Papier zwischen den Fingern. Obwohl ein E-Book-Reader weniger Platz als ein Stapel Bücher brauchte, war es Liz nie gelungen, sich umzustellen. Sie war ein Büchermensch.
In der Buchhandlung gab es einen großen Tisch mit Neuerscheinungen. Liz’ Romane lagen in der Mitte: die neue Hardcover-Ausgabe und alle vier davor erschienenen Krimis. Einige Kunden blätterten gerade darin. Keiner von ihnen schien sie zu bemerken.
In jeder anderen Buchhandlung wäre sie zu einem Verkäufer gegangen, hätte sich vorgestellt und angeboten, alle ihre Bücher zu signieren. Aber das hier war Fool’s Gold, und irgendwie galten die üblichen Konventionen hier nicht.
Ehe sie sich entscheiden konnte, was sie tun sollte, schaute eine ältere Dame von ihrer Lektüre auf und bemerkte sie. Die Frau riss erstaunt die Augen auf.
„Sie sind Liz Sutton”, sagte die Frau laut. „Oh mein Gott, Morgan! Du errätst nie, wer gerade in deinen Laden gekommen ist.”
Morgan, ein großer, älterer Mann mit dunkler Haut und gütigen braunen Augen kam hinter der Ladentheke hervor. Als er Liz sah, stutzte er. Dann zwinkerte er ihr zu. „Ich habe drei neue Bücher über Pferde.”
Sie lachte. In dem Sommer, als sie zwölf geworden war, hatte sie ihre Leidenschaft für Pferde entdeckt. Vielleicht deshalb, weil man sich auf einem Pferd der Illusion hingeben konnte, frei zu sein und einfach auf und davon reiten zu können. Sie war damals fast jeden Tag in Morgans Buchhandlung gekommen, um sich zu erkundigen, ob er wieder neue Pferdebücher bekommen hatte.
„Die muss ich mir unbedingt ansehen”, sagte sie und ging zu ihm.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, Morgan zur Begrüßung die Hand zu geben. Doch plötzlich überkam es sie, und sie umarmte ihn herzlich.
„Willkommen zu Hause, Liz”, murmelte er und drückte sie an sich. Dann hielt er sie ein Stück von sich weg und betrachtete sie lächelnd. „Wir sind alle sehr stolz auf dich. Deine Bücher sind wirklich gut.”
Liz freute sich, war aber auch ein wenig verlegen. „Danke schön.”
Die ältere Dame ergriff Liz’ Hand und schüttelte sie. „Ich bin Sally Banfield. Sie waren mit meiner Tochter Michelle in derselben Klasse. Ich bin ein großer Fan. Als Morgan mir vor fünf Jahren erzählt hat, dass Sie ein Buch geschrieben haben, konnte ich es gar nicht glauben. Dann habe ich es gelesen und war sofort gefesselt. Ihre Kommissarin ist eine meiner Lieblingsromanfiguren überhaupt. Sie ist genauso, wie die Leute, die ich kenne – nur ein bisschen schlauer. Aber glaubwürdig. Mit Problemen und allem Drum und Dran. Sie hat mir so leidgetan, als ihr Freund im letzten Buch ermordet wurde. Aber er ist ja gestorben, um ihr das Leben zu retten. Das war unglaublich romantisch. Mein Mann würde nicht einmal seine eigenen Socken aufheben – geschweige denn, für irgendjemanden sterben.” Sally runzelte die Stirn. „Ich glaube, das war jetzt etwas missverständlich formuliert.”
„Ich weiß, wie es gemeint war”, beeilte Liz sich zu sagen. Sie wusste, dass jeder Fan ein guter Fan war.
„Wohnen Sie jetzt wieder in
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