Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
und Pilze: Kochen mit den Früchten des Waldes. Es wurde auch ein Autor erwähnt, der über indianische Mythen und Legenden schrieb. Das Buch klang interessant. Doch als Liz sich bei Marti nach dem Mann erkundigte, erfuhr sie, dass ihn noch nie jemand in der Stadt zu Gesicht bekommen hatte. Er würde, sagte man, völlig abgeschieden in den Bergen leben.
„Es gibt unzählige Gerüchte”, erzählte Marti. „So ähnlich wie bei Bigfoot oder dem Yeti. Manchmal heißt es, er wäre hundertundacht Jahre alt, aus England und ein ehemaliger Forscher. Dann wieder, er sei jung, umwerfend und total reich.” Sie senkte die Stimme. „Mir persönlich gefällt die zweite Geschichte besser.”
Liz fand die Version des alten britischen Forschers spannender. Sie musste sich diesen mysteriösen Schriftsteller unbedingt nach ihrer Signierstunde ansehen.
Sie merkte, dass sie sich trotz allem, was sie derzeit um die Ohren hatte, auf die Veranstaltung freute. Normalerweise fanden ihre Signierstunden und Lesungen in großen Buchhandlungen oder bei speziellen Branchenveranstaltungen statt. Alles war perfekt organisiert und vorhersehbar, und das Publikum wurde auf Abstand gehalten. Das hier klang spannender. Liz gefiel die Vorstellung, Teil einer Autorengruppe zu sein. Es gab Tage, an denen ihr einfach kein neues Hühnchenrezept für Tyler einfallen wollte. Die Vorstellung, jemanden mit den Früchten des Waldes satt zu kriegen, war bestechend.
Pia ging noch das restliche Programm sowie die verschiedenen Möglichkeiten durch, sich freiwillig zu engagieren. Dann eröffnete sie die Fragerunde.
Zwei Leute wollten wissen, ob sie mit Listen durch die Stadt gehen sollten, auf denen die freiwilligen Helfer sich eintragen konnten. Der einzige männliche Teilnehmer an dem Meeting erklärte, dass es nur, weil es in Fool’s Gold mehr Frauen als Männer gab, nicht in Ordnung wäre, dass bei Festivals immer die Herrentoiletten in Damenklos umfunktioniert würden. Männer hätten schließlich auch Bedürfnisse. Pia versprach, sich mit dem Problem zu befassen.
„Noch etwas?”, fragte sie.
Die junge Mutter mit dem Baby stand langsam auf. „Ich bin sicher, viele von Ihnen werden mir nicht zustimmen, aber ... Aber ich muss sagen, mir ist die Anwesenheit dieser Frau hier einfach zuwider.” Sie zeigte auf Liz. „Es ist entsetzlich, was sie Ethan angetan hat. Die vielen Jahre, die sie ihm seinen kleinen Sohn verheimlicht hat ... Dabei hatte er es ohnehin schon schwer genug, als er und Rayanne das gemeinsame Kind verloren.” Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Rayanne war ein reizender Mensch, und jetzt sagen die Leute plötzlich furchtbare Dinge über sie.” Sie sah Liz wütend an. „Ich glaube kein Wort davon.”
Im Konferenzraum wurde es mucksmäuschenstill. Alle drehten sich um und starrten Liz an. Ihre Vorfreude auf die Signierstunde und die positiven Gefühle für Fool’s Gold lösten sich in nichts auf. Wie hatte sie bloß jemals auf die Idee kommen können, es wäre vielleicht doch eine gute Idee gewesen, in diese Stadt zurückzukehren? Nun saß sie da, blamiert, zornig und wild entschlossen, nicht rot zu werden. Jetzt irgendetwas – geschweige denn das Richtige – zu sagen, schien unmöglich.
„Bleiben wir doch bitte beim Thema”, sagte Pia vorne am Podium. „Wir sind wegen des Bücherfests hier.” Sie sah die junge Mutter an. „Melody, ich weiß, dass Rayanne deine Freundin war. Aber jetzt ist weder der richtige Zeitpunkt noch der passende Ort für diese Unterhaltung. Können wir es bitte dabei belassen?”
Pias Stimme und der Blick, den sie Liz zuwarf, waren voller Mitgefühl. Liz war ihr dafür dankbar, doch ihr war immer noch richtig übel vor Empörung. Nun stand die Frau neben Marti auf.
„Hör endlich auf mit dem Quatsch, Melody. Liz hat nichts falsch gemacht. Sie war ein Teenager und hat es ziemlich schwer gehabt.” Die Frau räusperte sich und sah dann Liz an. „Ich habe Ihre Mutter gekannt und hatte immer ein ungutes Gefühl wegen der Dinge, die sich jeden Abend in Ihrem Elternhaus abgespielt haben. Ich wusste, dass sie trinkt, und wusste auch, dass ständig Männer ein- und ausgingen. Viele von uns haben es mitgekriegt, und keiner von uns hat etwas unternommen, um Sie zu beschützen. Wir hätten es tun sollen. Sie waren doch noch so jung.” Die Frau holte tief Luft. „Ich bedauere sehr, dass ich damals nicht eingeschritten bin. Für das Stipendium habe ich dann Geld gespendet und seither mein Verhalten
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