Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
dauern, darüber hinwegzukommen.”
Pias Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Es ist so verdammt ungerecht, weißt du. Crystal war ein so liebenswürdiger Mensch. Sie hatte schon so viel verloren. Und dann musste sie auch noch auf diese Weise sterben.”
Liz wusste nicht, wovon Pia redete. „Ich dachte, sie sei krank gewesen.”
„Das war sie ja auch.” Pia schniefte. „Ich habe von der anderen Sache geredet. Sie war verheiratet. Er war Soldat im Irak.”
Liz sah sich um, konnte aber keinen Mann entdecken, auf den die Beschreibung gepasst hätte. „Ist er noch dort?”
Pia schüttelte den Kopf. „Er ist gestorben. Und weil er und Crystal wussten, dass dieses Risiko besteht, haben sie für künftige Kinder vorgesorgt. Sie haben durch künstliche Befruchtung mehrere Embryos gezeugt – für alle Fälle.”
Liz sah sie mit offenem Mund an. „Crystal hat Kinder?” Das würde die ganze Sache ja noch schlimmer machen.
„So kann man das nicht sagen. Nachdem ihr Mann gestorben ist, wollte sie sich die Embryos einsetzen lassen. Dann wurde bei einer Routineuntersuchung Krebs bei ihr diagnostiziert.” Pia bekam wieder feuchte Augen. „Kannst du dir das vorstellen? Sie konnte nicht einmal die Kinder ihres Mannes zur Welt bringen. Ich weiß nicht, woher sie die Kraft genommen hat, weiterzumachen. Sie war ein so liebenswerter Mensch. So werde ich nie sein.”
Liz umarmte Pia wieder. „Du bist liebenswert.”
„Quatsch. Ich versuche es nur. Ich war in der Schule schrecklich, aber das weißt du ja. Ich möchte ein besserer Mensch werden. Crystals Kater ist ja bei mir, und ich schwöre, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dieses Tier glücklich zu machen.” Sie schniefte wieder. „Ich glaube, ich sollte mir eine Anleitung besorgen. ,Katzenglück für Dummies’.”
Liz wollte nicht unsensibel erscheinen, konnte sich jedoch das Lachen nicht verkneifen. „Ich bin mir nicht sicher, ob es dieses Buch schon gibt.”
„Ich muss irgendetwas unternehmen. Wahrscheinlich sollte ich froh sein, dass sie mir nur ihren Kater vermacht hat. Sie hatte ja auch diese Embryos. Ich weiß nicht, was sie diesbezüglich verfügt hat.”
Liz selbst wäre nicht auf diese Idee gekommen, doch Pias Überlegungen ergaben durchaus Sinn. Crystal hatte sich bestimmt Gedanken gemacht, was mit ihren ungeborenen Kindern passieren sollte. „Das wäre eine große Verantwortung”, merkte sie leise an.
„Sich zu überlegen, was man mit ihnen tun soll?”, fragte Pia.
„Natürlich. Falls sie die Embryos jemandem vermacht hat, ist damit wohl auch die Bitte verknüpft, die Kinder auszutragen und großzuziehen.”
„Ich bin froh, dass ich nicht in die Verlegenheit kommen werde, das zu tun”, stellte Pia fest. „Mich überfordert ja schon der Kater. Ich bin nämlich nicht sehr mütterlich.”
„Das weißt du nicht, bevor du es nicht ausprobiert hast.”
„Ich habe schon Schwierigkeiten, meine Pflanzen am Leben zu erhalten. Besonders fürsorglich bin ich nicht.”
Liz schüttelte den Kopf. „Glaubst du denn, ich war darauf vorbereitet, Tyler zu bekommen? Man tut einfach das, was gerade anfällt. Anfangs ist es schwer, aber mit der Zeit wird es leichter.”
„Ich brauche einen Drink”, murmelte Pia. „Komm, lass uns mal sehen, was Jo für uns hat.”
Sie gingen Richtung Bar. Auf dem Weg dorthin stellte sich ihnen eine ältere Frau in den Weg und guckte Liz böse an.
Liz hatte sofort ein flaues Gefühl im Magen und überlegte, ob sie durch den Hinterausgang die Flucht antreten sollte. Doch da setzte die Frau schon zu sprechen an.
„Sie hätten ihn heiraten müssen”, sagte die Frau barsch.
Ihre Augen waren fast so blau wie ihre gefärbten Haare. Ein sackartiges Kleid mit Blumenmuster hing ihr bis über die Knie, und die bequemen Schuhe mit den dicken Sohlen ließen sie größer wirken, als sie war. „Es ist eine Schande. Wenn in meiner Generation ein Mädchen schwanger wurde, hat es den Vater des Kindes geheiratet. Heutzutage haben die jungen Leute Sex, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen.”
Liz machte den Mund auf und wieder zu. Was gab es da noch zu sagen? Ihr Kopf war wie leer gefegt – bis auf einen Gedanken: Nichts wie raus hier!
Pia kam ihr zu Hilfe. Sie drohte der Frau mit dem Zeigefinger. „Lass sie in Ruhe, Esmeralda. Du hast keine Ahnung, wovon du redest. Liz war noch ein Kind. Wenn dich schon so sehr beschäftigt, was richtig und was falsch ist – warum hast du seinerzeit
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