Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
es um die Gegenwart und vielleicht um das, was hätte sein können.
„Ich wollte nie, dass es so kommt”, murmelte sie und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.
Er hob ihr Kinn zärtlich an, damit sie ihn ansah.
„Ich weiß”, sagte er.
„Es ist größtenteils deine Schuld.” Sie schniefte.
„Einen Teil der Schuld nehme ich ja auf mich.”
„Ich kann es nicht fassen, dass du Rayanne geheiratet hast.”
Liz hielt sich eine Hand vor den Mund. Das hatte sie nicht sagen wollen. Es war ihr einfach so herausgerutscht.
„Ich nehme es zurück”, sagte sie schnell. „Ich bin sicher, sie war ein lieber Mensch.” Pia hatte sich schließlich auch in eine nette, normale Frau verwandelt. Warum also nicht auch Rayanne?
Er drehte sich zu ihr. „Du willst wissen, warum ich sie geheiratet habe?”
„Nein, das war nicht meine Frage. Ich nehme an, die Gründe waren die üblichen. Man geht miteinander aus, man verliebt sich, man heiratet ...”
Er sah sie mit seinen dunklen Augen unverwandt an. „Du weißt doch von meinem Fahrradunfall im letzten Jahr am College, nicht wahr?”
Sie nickte.
„Es war eine einzige falsche Bewegung – oder einfach Pech. Ich habe in die eine Richtung gelenkt, als ich in die andere hätte lenken sollen.” Er zuckte die Achseln. „Ich habe Joshs Rad gerammt, aber ich war derjenige, der gestürzt ist. Meine Verletzung war so schwer, dass ich keine Rennen mehr fahren konnte.”
„Dadurch hat sich bestimmt alles verändert.” Sie wusste noch, wie sehr er seinen Sport geliebt hatte. Zu gewinnen war ihm wichtiger als fast alles andere gewesen. Unwillkürlich musste sie an jene Nacht denken, in der er ihr geschworen hatte, dass sie für ihn das Allerwichtigste wäre. Wichtiger, als zu gewinnen. Sie war jung und dumm gewesen, und hatte es ihm geglaubt. Hatte es glauben wollen.
„Ich habe es nicht sonderlich gut verkraftet”, gestand er. „Ich war wütend und habe Josh die Schuld gegeben. Er wiederum hatte solche Schuldgefühle, dass wir über zehn Jahre kein Wort mehr gewechselt haben.”
Das zu hören erstaunte Liz. „Aber er war doch dein bester Freund.”
„Tja, wir können beide ziemlich dickköpfig sein. Mittlerweile ist zwischen uns alles wieder bestens.”
„Das hoffe ich.”
„Du hast ein weiches Herz.”
„Ich begehe ständig fiktionale Morde. Das ist mein Beruf. Wie weichherzig kann ich schon sein?”
„Das werde ich mir merken.” Er nahm ihre Hand. „Ich habe das College fertiggemacht und bin nach Fool’s Gold zurückgekommen. Was ich mit meinem Leben anfangen sollte, wusste ich zwar nicht, aber mir war klar, dass ich hierbleiben wollte. Ein paar Wochen später hatte mein Vater einen Herzinfarkt und ist gestorben. Ich bin der Älteste. Plötzlich hatte ich die ganze Verantwortung.”
„Das Familienunternehmen”, murmelte sie. „Du wolltest eigentlich nie in der Baubranche arbeiten.”
„Ich hatte keine Wahl. Da gab es sechs Menschen, die von mir abhängig waren. Meine Mom war verzweifelt. Die Mädchen waren noch auf der Highschool, und meine Brüder mussten das College fertigmachen. Also habe ich getan, was getan werden musste. Aber gefallen hat es mir nicht.”
Liz hatte es auch nicht gefallen, für ein neugeborenes Kind die Verantwortung zu übernehmen. Aber vielleicht ging es im Leben genau darum: die Dinge zu tun, die getan werden mussten – ohne eine Belohnung dafür zu erwarten.
„In dieser Zeit bin ich erwachsen geworden”, sagte er. „Obwohl es wehgetan hat und ich mich mit Händen und Füßen gewehrt habe. Aber eines Tages wurde mir plötzlich bewusst, dass ich gerne im Baugewerbe arbeite. Es hat mir gefallen, ein Projekt zu beginnen und es bis zur Fertigstellung zu betreuen. Bis dahin waren vier Jahre vergangen, und ich hatte in dieser Zeit kein einziges Date. Irgendwann ist dann Rayanne in mein Büro spaziert und hat sich mit mir verabredet. Ich war total überrumpelt.”
Denn Ethan war sich wahrscheinlich nicht bewusst gewesen, dass er sexy, intelligent und verlässlich war. Drei unwiderstehliche Eigenschaften für einen Mann, den sich jemand wie Rayanne als künftigen Ehemann ausgesucht hatte.
„Wir sind miteinander ausgegangen und haben uns dann öfter getroffen.” Er vermied es, Liz anzusehen. „Eines hat zum anderen geführt. Ich habe sie gemocht, aber ich wusste, dass sie nicht die Richtige ist. An dem Tag, an dem ich mit ihr Schluss machen wollte, hat sie mir eröffnet, dass sie schwanger ist.”
Liz musste sich
Weitere Kostenlose Bücher