Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
ich Jenkins antun muss. Was er mir antun muss. Was uns beiden widerfahren wird, unserem eigenen Willen zum Trotz.
»Halten Sie Ms Ferrars fest«, sagt Warner leise. In jeder Ecke des Gebäudes verbirgt sich jetzt Stille. Warners Stimme ist der einzige Laut.
Jenkins tritt vor.
Meine Augen quellen über, und ich kneife sie zu. Reiße sie mühsam wieder auf. Blinzle in die Menge und entdecke ein bekanntes Gesicht. Adam, der mich entsetzt anstarrt.
Scham bedeckt jedes Fetzchen meiner Haut.
Jenkins streckt mir die Hand hin.
Meine Knochen brechen ein, im Takt meines donnernden Herzens. Ich sinke zu Boden, sacke in mich zusammen. Meine Arme, die aus dem zerlumpten T-Shirt ragen, fühlen sich schmerzhaft nackt an.
»Nicht –« Ich halte die Hand hoch, starre flehend ins Gesicht des unschuldigen Mannes. »Bitte nicht –« Meine Stimme bricht. »Sie dürfen mich nicht anfassen –«
»Ich muss leider.« Jenkins hat eine ruhige tiefe Stimme, und sie klingt bedauernd. Jenkins, der keine Handschuhe trägt, der ungeschützt und unvorbereitet ist und sich nicht wehren kann.
»Das war ein Befehl, Soldat!«, bellt Warner und richtet eine Pistole auf Jenkins’ Rücken.
Jenkins packt mich an den Armen.
NEIN NEIN NEIN
Ich keuche.
Mein Blut flutet durch meine Adern, wogt durch meinen Körper wie ein tosender Fluss, Hitzewellen schwappen an meine Knochen. Ich fühle Jenkins’ Angst, spüre, wie die Kraft aus seinem Körper weicht, höre seinen Herzschlag in meinen Ohren, und mir ist schwindlig von dem Adrenalinschub, der mir neue Energie gibt.
Ich fühle mich lebendig.
Ich wünschte, es würde mir weh tun. Mich verletzen. Mich anwidern. Ich wünschte, ich könnte diese enorme Kraft hassen, die meinen Körper umschließt.
Doch so ist es nicht. Meine Haut pulsiert vom Leben eines anderen Menschen, und ich hasse dieses Gefühl nicht.
Ich hasse mich dafür, dass ich es genieße.
Ich genieße es, mehr Lebendigkeit, Hoffnung, Energie zu spüren, als ich mir jemals vorstellen konnte. Jenkins’ Schmerzen verschaffen mir eine Lust, nach der ich nie verlangt hatte.
Und er lässt mich nicht los.
Lässt mich deshalb nicht los, weil er es gar nicht kann. Weil ich die Verbindung unterbrechen muss. Weil der Schmerz ihn lähmt. Weil er gefangen ist.
Weil ich eine Venusfliegenfalle bin.
Tödlich.
Ich werfe mich auf den Rücken und trete gegen Jenkins’ Brust, versuche ihn wegzustoßen, das schwere Gewicht seines Körpers abzuwerfen. Ich schreie, versuche durch den Tränenschleier vor meinen Augen etwas zu erkennen; ich hickse hysterisch, entsetzt über Jenkins’ starres Gesicht, seine gelähmten Lippen, durch die nur noch pfeifend Atem dringt.
Ich reiße mich los, springe auf, taumle nach hinten. Umringt von Soldaten, auf deren Gesichtern sich Verblüffung und nackte unverblümte Angst abzeichnen. Jenkins liegt am Boden, keiner wagt es, sich ihm zu nähern.
»Helft ihm!«, kreische ich. »Jemand muss ihm helfen! Er braucht einen Arzt – er muss ins – er braucht – er – o Gott – was habe ich getan –«
»Juliette –«
» FASSEN SIE MICH NICHT AN – WAGEN SIE ES NICHT –«
Warner trägt wieder seine Handschuhe, und er versucht mich zu beruhigen, mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen, meine Tränen abzuwischen. Ich möchte ihn umbringen.
»Du musst dich beruhigen, Juliette –«
» HELFT IHM !«, schreie ich und falle auf die Knie, den Blick auf den Mann am Boden gerichtet. Die anderen Soldaten nähern sich jetzt langsam, so vorsichtig, als könne Jenkins ansteckend sein. »Bitte – ihr müsst ihm helfen! Bitte –«
»Kent, Curtis, Soledad – KÜMMERN SIE SICH DARUM «, schreit Warner seinen Männern zu, bevor er mich auf die Arme nimmt.
Ich trete noch um mich, während die Welt schwarz wird.
14
Die Zimmerdecke taucht auf und verschwindet wieder.
Mein Kopf ist schwer, mein Blick vernebelt, mein Herz beengt. Ich habe den Geschmack von Angst auf der Zunge und versuche angestrengt mich zu erinnern, warum. Will mich aufrichten und verstehe nicht, weshalb ich liege.
Ich spüre Hände auf meinen Schultern.
»Wie geht es dir?« Warner blickt auf mich herab.
Plötzlich brennt die Erinnerung in meinen Augen, das Gesicht von Jenkins zieht vorbei, und ich schwinge die Fäuste, schreie, dass Warner mich loslassen soll, versuche mich seinem Griff zu entwinden, aber er lächelt nur. Lacht ein bisschen. Ergreift meine Hände und legt sie neben meinen Körper.
»Wenigstens bist du bei Bewusstsein«, sagt er
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